Der finnische Filmemacher Petri Luukkainen führte für seinen Dokumentarfilm My Stuff (2013) ein Selbstexperiment durch. Ihm fiel auf, dass er in den drei Jahren seit der Trennung von seiner Freundin etliche Dinge angehäuft hatte - nur als Liebesersatz, oder weil er sie wirklich brauchte? Also packte er alles in ein Lagerhaus in Helsinki und holte ein Jahr lang täglich nur einen Gegenstand in sein Leben zurück.
Florian David Fitz kam die Idee, daraus einen Spielfilm zu machen, und bekam die Einwilligung aus Finnland. »Sein Selbstexperiment war eine großartige Prämisse für einen Film, ich habe daraus aber einen Wettkampf zwischen zwei Freunden gemacht«, sagt der Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller. »Ein Mann allein, der auf Konsum verzichtet, ist sehr philosophisch, aber nicht zwingend der Stoff für einen Spielfilm, der die Menschen ins Kino lockt.«
»Nieder mit dem Kaufzwang!«
Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer spielen die Start-up-Unternehmer Paul Konaske und Toni Katz. Sie kennen sich seit frühester Kindheit, da Toni weitgehend in Pauls Elternhaus aufwuchs, während dessen Mutter durch die Weltgeschichte reiste, um Propaganda für den real existierenden Sozialismus zu machen. »Vermutlich wollte Toni sich an seiner Mutter rächen und wurde zur Ausgeburt des Kapitalismus«, sagt Florian David Fitz über Matthias Schweighöfers Rolle. »Er möchte reich werden, um anderen und sich selbst zu beweisen, was für ein toller Kerl er ist.«
Dagegen beschreibt Matthias Schweighöfer die Rolle seines Kollegen als »herzlichen, notorischen und auch ängstlichen Typ, der viel zu viel nachdenkt und vollkommen abhängig ist von dem kleinen Radius, den er sich selbst steckt.« Florian David Fitz sieht das ähnlich: »Paul hat große Sehnsüchte. Er möchte eigentlich immer glücklich sein und andere Leute glücklich machen. Deshalb hat er NANA fürs Handy entwickelt - eine künstliche Intelligenz, die mit individueller Stimme spricht, lernfähig ist, Humor entwickelt und dem Handy eine ganz eigene Persönlichkeit gibt.«
Es kommt, wie es kommen muss: »Paul verliebt sich in seine eigene Erfindung«, sagt Florian David Fitz. Toni interessiert an NANA allerdings nicht die Gefühlsduselei, sondern die Aussicht aufs schnelle Geld: »Wenn all die internetabhängigen Menschen ihr Handy als Freund oder Freundin betrachten und dieser Maschine ihre geheimsten Wünsche anvertrauen, lassen sich diese Informationen kommerziell ausschlachten«, sagt der Regisseur.
Tatsächlich interessiert sich der junge US-Internet-Milliardär David Zuckermann für Pauls Erfindung und bietet der jungen Start-up-Firma vier Millionen Euro. Der Konflikt ist vorprogrammiert: Soll NANA die Menschen glücklich machen oder die Menschen ausspionieren, damit sie noch mehr unnütze Dinge im Internet bestellen, als sie es ohnehin schon heute tun? So schlägt die Freude über den bevorstehenden Millionen-Deal schnell in einen handfesten Streit um, der schließlich zur verhängnisvollen Wette führt: Wer schafft es, 100 Tage lang auf den gewohnten Luxus zu verzichten und Tag für Tag nur ein Ding in sein Leben zurückzuholen, das wirklich wichtig ist?
»Du siehst aus wie 'ne Python mit 'nem Rollkragenpullover.«
Jetzt ist logisches Denken gefragt: Was braucht man am nötigsten im verschneiten Berlin? Paul wählt einen Mantel, Toni nimmt den Schlafsack, der ihn wärmt und das fehlende Bett ersetzt. Pauls Eltern reagieren unterschiedlich auf die ungewöhnliche Aktion. „Wozu?“, fragt Renate Konaske, doch ihr Mann Wolfgang findet dieses Zeichen gegen den Konsum klasse: „Renate, die Jugend wacht auf!“
Die Eltern fahren an die Ostsee und bitten Paul, ab und zu bei seiner Oma vorbeizuschauen, die gerne auf Leitern steigt, aber nicht mehr so rüstig ist. Die wundert sich auch, warum die Jungs solch eine Wette abschließen. „Habt ihr keine Frauen?“, fragt die Oma und reißt damit unverhofft alte Wunden auf, denn vor vielen Jahren hat Toni seinem Freund Paul die große Schulliebe Anna Kloske ausgespannt.
Tag für Tag geht vorbei. Nacht für Nacht kehren die Kontrahenten zu ihren Lagerräumen zurück und wählen jeweils einen Gegenstand aus. In der Nacht treffen Paul und Toni auf die geheimnisvolle Lucy, die zwei benachbarte Lagerräume angemietet hat und durch ihren mondänen Kleidungsstil auffällt. „Willst du ein Date mit mir?“, fragt Toni, eigentlich nur, um dem schüchternen Paul zuvorzukommen. Lucy willigt ein, und damit beginnen Tonis Probleme: Er hat nichts anzuziehen, er kann Lucy nicht zum Essen einladen. Und zu allem Überfluss jucken die Augen, weil er seine Kontaktlinsen nicht wechseln kann.
»Lucy ist ein Mysterium an Frau«, sagt Matthias Schweighöfer. »Sie ist immer nur nachts da, trägt ausgefallene Klamotten und weckt so natürlich die Neugier der beiden Jungs.« Der Regisseur kennt Miriam Stein von ihren gemeinsamen Dreharbeiten bei Christian Züberts Komödie Hin und weg und besetzte sie nun für 100 Dinge. »Miriams prominenteste Eigenschaft ist, dass sie eine unfassbare Ehrlichkeit und Natürlichkeit hat«, sagt Florian David Fitz. »Man sympathisiert mit Lucy, weil sie ein großes Herz hat, aber man glaubt ihr auch die Probleme, die im Laufe des Films an die Oberfläche treten.«
»Du machst das nur wegen Anna Kloske.«
Berlin stand früh als Dreh- und Spielort für 100 Dinge fest. »Paul und Toni haben ein Start-up-Unternehmen und wollen ihre Erfindungen auf den Weltmarkt bringen«, sagt Produzent Daniel Sonnabend. »Dafür bietet sich Berlin besser als jede andere deutsche Stadt an.« Die Hauptmotive in der Hauptstadt sind Pauls und Tonis Wohnungen, die zu Beginn des Films bis zum Anschlag mit schicken Möbeln, Luxusartikeln und Kleidung gefüllt, aber schon nach wenigen Szenen komplett leer sind.
»Wir standen vor dem Problem, dass leere Wohnungen eigentlich kein reizvolles Kinomotiv sind, das man sich anderthalb Stunden lang auf der Leinwand anschauen möchte«, räumt Florian David Fitz ein. Doch schon das zweite Motiv, das er gemeinsam mit Szenenbildner Christian Eisele und Kameramann Bernhard Jasper besichtigte, erwies sich als Volltreffer.
Eine Aikido-Schule in Berlin-Steglitz, die in einem Aufbau auf dem Dach einer ehemaligen Fabrik untergebracht ist, bot durch ihre riesigen Glaswände einen traumhaften Blick auf Berlin. »Wir haben lang und intensiv gekämpft, um dort drehen zu dürfen«, sagt Daniel Sonnabend, »und unser Art Department hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um aus der Aikido-Schule zwei übereinanderliegende Wohnungen zu machen. Dabei war besonders absurd, dass die aufwändigsten Motive nur für einen Drehtag voll eingerichtet waren, dann komplett leer geräumt werden mussten, um sie sukzessive wieder mit Requisiten zu füllen.«
Für Kameramann Bernhard Jasper erwiesen sich die großen Fensterwände des Hauptmotivs als Segen und Fluch zugleich - als Segen, weil der unverbaute Blick auf die Hauptstadt sogar aus leeren Wohnungen starke Motive machte, als Fluch, weil die Beleuchtung eine größere Herausforderung darstellte als bei üblichen Innenmotiven.
»Wir mussten nehmen, was an Licht und Wetter da war«, sagt Florian David Fitz. »Im Gegenzug wurden wir aber auch reich beschenkt. An den zehn Drehtagen hatten wir Glück mit der natürlichen Lichtstimmung. Das Wetter hat mitgespielt, was an anderen Drehtagen nicht unbedingt der Fall war.«
Ende Februar, als die erste Klappe fiel, hatte ein harter Winter Berlin noch fest im Griff. Das machte die Dreharbeiten in der Lagerhalle, in der Pauls und Tonis gesamtes Hab und Gut weggesperrt ist, zu einer echten Zitterpartie. Gedreht wurde in einem Parkhaus in Kreuzberg, durch das ein eisiger Wind wehte. »Wir hatten eine Heizung installiert, aber über Nacht wurden die Leitungen geklaut – es ist halt Kreuzberg«, lacht der Regisseur.
Die Berliner staunten nicht schlecht, als in einer kalten Februarnacht zwei nackte Männer über die Oberbaumbrücke flitzten. Und wer genauer hinschaute, hatte noch mehr Grund zum Staunen. Die beiden Flitzer entpuppten sich als zwei der beliebtesten deutschen Schauspieler der Gegenwart: Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer.
»Weil wir zu zweit gerannt sind, fand ich die Nacktheit gar nicht so schlimm«, erinnert sich Florian David Fitz an jene Nacht. »Ich glaube, wenn ich allein gerannt wäre, hätte ich das nicht so cool gefunden. Aber das ist ja der Vorteil an der Filmarbeit: Man macht völlig absurde Dinge, die man privat niemals machen würde.« Matthias Schweighöfer ergänzt: »Ein Freund sagte mir: „Du hast echt den coolsten Job der Welt. Wer darf sonst schon einfach mal nackt durch Berlin rennen?“«
Oberbaumbrücke, Kottbusser Tor, East Side Gallery - die Szene, in der Paul und Toni am ersten Tag ihrer 100-Dinge-Wette nackt durch Berlin flitzen müssen, zeigt viele bekannte Orte der Hauptstadt. »Wir haben uns im Vorfeld gefragt: Wo in Berlin ist es maximal unangenehm, wenn man an öffentlichen Plätzen nackt rumlaufen muss?«, sagt Daniel Sonnabend. Die Antwort lautete: an viel besuchten Sehenswürdigkeiten und viel befahrenen Hauptverkehrsadern.
»Wir haben die Bürgersteige mit Kehrmaschinen gereinigt, damit die Schauspieler nicht in Scherben oder Müll treten, und auch mehr Blocker eingesetzt als bei normalen Dreharbeiten«, sagt er. »Aber eine komplette Sperrung ist an solchen Orten in Berlin sehr schwierig.«
Auf der Oberbaumbrücke, die nicht erst seit Lola rennt (1998) zu den berühmtesten Drehorten Berlins gehört, konnte zum Beispiel nur eine Fahrbahn gesperrt werden, damit der Kamerawagen parallel zu den beiden Nackedeis fahren konnte. Gleich daneben waren die Berliner mit Autos und Fahrrädern unterwegs und bekamen das seltene Schauspiel zweier prominenter Flitzer geboten.
»Bei Minusgraden nackt durch Berlin zu laufen, ist eine Erfahrung, die ich so schnell nicht vergessen werde«, betont Matthias Schweighöfer, der besonders vor der Szene an der East Side Gallery Respekt hatte: »Normalerweise hat uns die Kamera relativ von der Seite gefilmt und dadurch einen gewissen Schutz geboten. Aber als wir an der East Side Gallery entlang der Mauer rannten, blieb die Kamera weit hinter uns. Da werden uns außenstehende Beobachter für ganz normale Flitzer gehalten haben.«
Florian David Fitz nahm die Nacktheit gelassen hin: »Was willst du machen? Bei Dreharbeiten hat man ja keine Wahl, wenn das Drehbuch eine bestimmte Szene vorgibt. Bei Der geilste Tag musste ich kopfüber an einem Kran hängen. Bei 100 Dinge mussten wir uns halt ausziehen. Wir hatten zwar zwei Jungs am Set, die uns in sehr weiten Einstellungen hätten doubeln können, aber am Ende haben Matthias und ich gesagt: „Komm, das machen wir selber!“ Es hat ja auch irgendwie Spaß gemacht.«
Natürlich stimmt die Geografie der Drehorte nicht mit der Handlung überein, wie wir es seit Lola rennt kennen, wo die Titelfigur in Windeseile durch mehrere Bezirke rannte, doch die Produzenten, zu denen auch Matthias Schweighöfer, Marco Beckmann und Dan Maag von PANTALEON Films gehören, mussten auf Grund der weit auseinander liegenden Drehorte Kompromisse eingehen.
In der Haupthalle des 2008 stillgelegten Flughafens Tempelhof entstand zudem noch die Szene mit 350 Hipstern, die allesamt ihre neuesten Erfindungen pitchen wollen. Für die Rolle des ebenso kumpelhaften wie berechnenden US-Milliardärs mit dem einschlägigen Namen David Zuckermann hatte Casting-Agentin Franziska Aigner zunächst nach einem amerikanischen Muttersprachler gesucht. Letztlich ging die Rolle an Artjom Gilz, der 1987 in der damaligen Sowjetunion zur Welt kam und in Berlin aufwuchs.
»Artjom spricht so perfekt amerikanisches Englisch, dass ihn selbst am Set alle für einen Amerikaner hielten«, sagt Daniel Sonnabend. »Er behielt die Sprache auch in den Pausen und im Catering bei, damit sich nicht der Hauch eines deutschen Akzents einschleichen konnte. Erst bei der Abschiedsfeier stellten viele im Team fest, dass Artjom Deutscher ist.« Aber nicht nur der Rollenname erinnert an den Erfinder der Sozialen Medien, auch das Aussehen des Schauspielers lässt Assoziationen zu.
»Ich geh dann mal das Räuchermännchen suchen...«
Gleich zu Beginn des Films wird ein Blick in die Vergangenheit geworfen: Was brauchten frühere Generationen, um leben zu können? Die Urgroßeltern besaßen im Schnitt 57 Dinge, die Großeltern 200 und die Eltern 600. Am Ende steht der Mensch von heute mit durchschnittlich 10.000 Dingen! Stellvertretend für jede Generation zeigt der Film auch Paul Konaskes Oma und seine Eltern.
»Es gab keine lange Diskussion darüber, dass Katharina Thalbach die Oma spielen sollte, auch wenn die Maskenbildnerinnen sie deutlich älter machen mussten, als sie im wahren Leben ist«, sagt Daniel Sonnabend. Als die Oma im Jahr 1945 aus Ostpreußen über's Haff fliehen musste, durfte sie nur einen einzigen Koffer mitnehmen: „Wir waren jung, wir haben überlebt, das war schon ziemlich viel“, sagt Oma Konaske im Film.
Enkel Paul, im Wohlstand aufgewachsen und abhängig von den Verlockungen der Online-Händler und Markenhersteller, wird angesichts des früheren Minimalismus ein wenig neidisch: „Bei euch war alles einfacher, ihr hattet nichts, ihr wart glücklich. Wir haben keinen Grund, unglücklich zu sein. Ihr hattet wenigstens den Krieg.“ Allein diese Aussage wird bei vielen Menschen Diskussionen auslösen. Sind wir wirklich glücklich? Ist nicht das Anschaffen von Dingen eine Endlosschleife? Kann man in der heutigen Konsumgesellschaft überhaupt glücklich sein?
Florian David Fitz besetzte seine Filmfamilie bewusst mit großen Namen: »Die Oma und die Eltern stehen jeweils für eine ganze Generation und deren Lebensträume, für deren Streben nach Glück. Deshalb war es mir wichtig, dass sie in ihren kurzen Auftritten eine komplette Biografie verkörpern. Das heißt: Der Mensch muss durch pure Anwesenheit eine Geschichte erzählen können. Und das ist bei Katharina Thalbach ebenso der Fall wie bei Hannelore Elsner und Wolfgang Stumph
Schon als er das Drehbuch schrieb, hatte er Hannelore Elsner, die bereits in Hin und weg seine Filmmutter spielte, und Wolfgang Stumph als Pauls Eltern Renate und Wolfgang vor Augen: »Die Kombination ist eher ungewöhnlich, weil beide sehr gegensätzliche Persönlichkeiten sind, aber wenn man sie zusammen auf der Leinwand erlebt, sind sie ein großartiges Paar.«
Wolfgang Konaske feiert Pauls und Tonis Absicht, 100 Tage lang dem Konsum abzuschwören, als politische Aktion: „Endlich kommt ihr in die Puschen“, lobt er die beiden „Teufelskerle“ und stellt erleichtert fest: „Renate, die Jugend wacht auf!“ Der Vater fühlt sich an seine eigene Vergangenheit erinnert.
»Er träumt noch ein bisschen von der Zeit, als er politisch aktiv war und für ein besseres Leben für alle kämpfte«, sagt Wolfgang Stumph. »Ihm ist das nach dem Fall der Mauer leider nicht gelungen, aber jetzt deutet er die Wette der beiden Jungs als ein Plädoyer gegen den Kapitalismus: Es gibt wichtigere Dinge im Leben als Höher, Schneller, Weiter und Mehr! Das deckt sich auch mit meiner persönlichen Überzeugung.«
Hannelore Elsner kritisiert das Konsumverhalten, das ihr Filmsohn Paul zu Beginn des Films zeigt: »Er hat ein ganzes Zimmer voller neuer Turnschuhe. Im Grunde benutzt er sie gar nicht, er will sie nur kaufen und besitzen. Aus Sicht seiner Mutter ergibt das keinen Sinn. Denn sie stammt noch aus einer Generation, die weniger Dinge besessen hat, diese aber umso mehr nutzte, pflegte und liebte.«
Matthias Schweighöfer vergleicht die Energie, die er und Florian David Fitz auf der Leinwand freisetzen, mit der Energie von Jack Lemmon und Walter Matthau in deren früheren Komödien. »Wir sind wie Omi und Opi, aber irgendwie auch die coolen Dudes von nebenan«, sagt er. »Wir sind beide Schauspieler, führen beide Regie und schreiben beide Drehbücher. Wenn wir etwas zusammen machen, bringt jeder sein Bestes ein, um daraus einen guten Film zu machen.«
Florian David Fitz betont, dass er Matthias Schweighöfer durch die Dreharbeiten zu Der geilste Tag und vor allem durch die anschließende gemeinsame Kinotour besonders gut kennengelernt hat: »So entwickelt man ein Gefühl für den anderen. Ich muss nur einen Raum betreten und Matthias sehen, dann weiß ich sofort, wie es ihm geht und wie die Stimmung ist. So konnten wir bei diesem Projekt freundschaftlich miteinander umgehen, aber manchmal auch härter, wenn es die Arbeit erforderte.
Als Regisseur kann ich sehr streng sein, und Matthias muss dann darunter leiden. Aber alles in allem genieße ich sein Vertrauen, weil er Der geilste Tag mochte und weiß, dass meine Regieanweisungen ihm auch guttun. Wir haben aber schon im Scherz gesagt, dass wir den Spieß irgendwann mal umdrehen müssen. Dann führt er Regie und ich muss alles tun, was er mir sagt.«
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Im Film erkennt Toni, warum die Menschen ständig Dinge kaufen: „Weil’s glücklich macht!“ Lucy hinterfragt diese These: „Das bedeutet doch im Umkehrschluss, dass wir nicht glücklich sind.“ Genau darin sieht Toni den Schlüssel zum kommerziellen Erfolg: „Keiner darf glücklich sein, sonst läuft der Laden nicht.“ Das Internet, der Versandhandel, die Werbung, die Warenhäuser und der Welthandel leben davon, dass die steinzeitlichen Triebe nach Jagen, Sammeln und Horten bis zum Exzess ausgelebt und ausgenutzt werden.
»Die längste Zeit hatten die Menschen überhaupt keine Wahl, wie sie leben und was sie besitzen wollen. Sie mussten schauen, dass sie überhaupt leben«, sagt Florian David Fitz. »Aber der Mensch hat trotzdem immer Wege gesucht, sein Glück zu finden. Es gab die Religion, dann gab es ein Jahrhundert der Ideologien.
Der Sozialismus hat nicht so richtig geklappt. Als letzte Heilsidee blieb dann der Kapitalismus, der die Menschen bei ihrer Gier packt. Wir sind ein Homo oeconomicus, ein wirtschaftlicher Mensch. Doch allmählich kommen wir an einen Punkt, an dem wir erkennen, dass der Mensch mehr braucht als Konsum.«
Wolfgang Stumph kommt zu dem Schluss: »Wir brauchen keine 100 und schon gar nicht 10.000 Dinge, um glücklich zu sein. Ich glaube, man braucht überhaupt nur drei: Familie, gute Freunde und Gesundheit. Alle anderen Dinge sind nur Beigaben, die einem das Leben angenehmer machen, die in ihrer Fülle aber auch belastend sein können.«
Wo er recht hat, hat er recht. Doch leider gibt der Film nur Denkanstöße und nervt oft - liegt vermutlich daran, dass sich Herr Schweighöfer schon zu sehr in den Hirnwindungen von Herrn Fitz festgesetzt hat. Der Film hätte auch von Matthias Schweighöfer sein können. Zudem verhaspelt sich das Drehbuch hin und wieder mit der Logik:
Wenn man ein Handy hat, damit eine Hotline anruft und in der Warteschleife hängt, lässt man micht das Telefon mitten im „Wohnzimmer“ liegen, wenn man aufs Klo geht! Dass auf dem Klo kein Empfang sein sollte ist genauso unlogisch, da sich die Wohnung über allen anderen Häusern absetzt und nicht wirkt, als wäre es in einem schlecht abgedeckten Gebiet! Außerdem sind die Schöpfer von NANA froh, ein Geschäft mit David Zuckerman abgeschlossen zu haben. Plötzlich wird bekannt, dass Jener gas gleiche System mit einem anderen Namen herausgebracht hat. Wenn ein Vertrag schon unter Dach und Fach ist, geht doch das Geld nicht flöten!?
Vielleicht musste da einfach auf die Schnelle etwas her, das unsere Filmfiguren auf den Nullpunkt zurückkommen lässt. Die Idee mit der wett- und spielsüchtigen Lucy ist zwar ein netter und intelligenter Aspekt des Themas, was den Film jedoch nicht wirklich retten kann. 100 Dinge wirkt oft wie eine typisch deutsche Komödie, das nervige Gezeter der beiden Hauptdarsteller kennen wir aus zahlreichen anderen Filmen, zumal Herr Schweighöfer beim Schreien immer undeutlicher wird und zuweilen an Herbert Grönemeyer erinnert!
Das Drehbuch hätte ein wenig plausibler sein sollen und die Grundstimmung kontrastreicher, der Witz subtiler und die (Haupt-)Figuren glaubwürdiger. Beide Schauspieler können ernst spielen, doch, wie Hannelore Elsner sagt: »Im Grunde sind die beiden wie 15-jährige. Die kabbeln sich und streiten sich und lachen miteinander.« Das hatten wir bereits in Der geilste Tag. Dort hat die Dynamik auch funktioniert. Hier jedoch fehlt dem Film irgendwie der gewisse Anspruch. Es ist nichts Halbes, aber auch nichts Ganzes. Lediglich die Fans von Matthias Schweighöfer werden voll und ganz bedient. ■ mz
10. Dezember 2018
Komödie
D 2018
106 min


mit
Florian David Fitz (Paul Konaske)
Matthias Schweighöfer (Anton „Toni“ Katz)
Miriam Stein (Lucy Denske)
Hannelore Elsner (Renate Konaske)
Wolfgang Stumph (Wolfgang Konaske)
Katharina Thalbach (Oma Konaske)
Johannes Allmayer (Ronnie)
Sarah Viktoria Frick (Betty)
Artjom Gilz (David Zuckermann)
Max Bretschneider (Maik)
Maria Furtwängler (Antonietta Kärcher)
Alexandra Schalaudek (NANA)
u.a.

drehbuch
Florian David Fitz

musik
Arne Schumann, Josef Bach, Chester Travis, Jonathan Kluth

kamera
Bernhard Jasper

regie
Florian David Fitz

produktion
PANTALEON Films
Warner Brothers
Erfttal Film & Fernsehproduktion
WS Filmproduktion

verleih
Warner Brothers


vorspann
Logos, Vorgeschichte, Namen und Titel über den ersten Szenen

abspann
Rücklaufender Vorspann, dann normal laufender Abspann

erwähnung
Besonderer Dank geht an Julia Koschitz