Kinostarts Oktober 2015
Gleich hinter Osama bin Laden befand sich Jimmy Bulger auf der FBI-Liste der meistgesuchten Verbrecher, bis er schließlich 2011 durch einen Zufall gestellt wurde. Das Kuriosum dabei ist, dass Bulger es womöglich gar nicht erst auf diese Liste geschafft hätte, wäre er nicht von seinem alten Kumpel John Connolly, der inzwischen beim FBI als Agent tätig war, als Informant gegen die Mafia-Konkurrenz angeworben worden.
Dass sich diese Geschichte nun auf der Leinwand wiederfindet, verdanken wir den Boston-Globe-Reportern Dick Lehr und Gerard O'Neill, die den kompletten Fall in ihrem Buch „Black Mass: Whitey Bulger, the FBI, and a Devil’s Deal“ umbrachen. Allerdings hatten die Autoren zunächst nur die Geschichte der Bulger-Brüder im Augenmerk, bis sie bei ihren Nachforschungen auf FBI-Agent John Connolly aus South Boston stießen.
Schauspieler und Regisseur Scott Cooper, nach Crazy Heart und ►Auge um Auge - Out of the Furnace seine dritte Regiearbeit, inszenierte dieses komplexe Gangsterepos mit einem umwerfend eklig und gruselig aussehenden Johnny Depp, der sich irgendwie die Augen von Ray Liotta ausgeborgt zu haben schien. Sein Blick ist furchteinflößender als Bulgers Taten, welche jedoch skrupellos waren.
Hinzu kommt ein großes Schauspielerensemble, das natürlich auch zum Zug kommen muss, was die Erzählung der Geschichte so breit wie möglich fächert. Dass sich dies in der Lauflänge wiederspiegelt, ist unabwendbar, genauso wie die empfundene Länge des Films. Wenn man nach gefühlten 3 Stunden auf die Uhr sieht, hat der Film noch eine gute halbe Stunde vor sich. Da ging es bei den 2 Filmen über Frankreichs Meisterverbrecher ►Jacques Mesrine wesentlich rasanter zu!
So viele Leute im Film brauchen auch weite Einstellungen, die Masanobu Takayanagi gekonnt einfängt, wie auch die Optik der 70er Jahre, die von den Kostüm-, Set- und Produktionsdesignern unterstützt wurde. Die elektronisch angehauchte Filmmusik von Tom Holkenborg alias Junkie XL unterstreicht die Bedrohlichkeit im Film, weshalb der Film auch halbwegs erträglich wird. An manchen Stellen wirkt sie aber auch, als hätte man einige Passagen irgendwo anders schon mal gehört.
Die Schauspieler spielen gekonnt souverän, werden aber oft in ihrer Darstellungskunst eingeengt, da es sich hier um echte Personen handelt. Sie haben alle viel Text aufzusagen, weshalb der Film oft auch recht anstrengend ist. Ähnlich wie die FBI-Agenten, die letztlich fragen: „Was hat uns Bulger nun wirklich geliefert? Das war nicht viel. Warum ist er noch unser Informant?!“, könnte man die Produzenten fragen: „Was hat Bulger nun alles getan?“ Man sieht lediglich, wie er ein paar Leute umbringt/umbringen lässt und irgendein Geschäft mit Jai Alai macht. Der ganze andere Kladderadatsch wird dem Zuschauer vorenthalten. Da hätte eindeutig mehr gezeigt werden können! Der Film mag gut inszeniert worden sein, aber hinter dem Ofen lockt er niemanden hervor. ■ mz