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Interview mit Devid Striesow

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Devid Striesow kam 1973 auf Rügen zur Welt und wuchs in Rostock auf. Seine klassische Schauspielausbildung absolvierte er an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin. Es folgten Engagements am Deutschen Schauspielhaus Hamburg sowie am Düsseldorfer Schauspielhaus, wo auch seine enge Zusammenarbeit mit Theaterregisseur Jürgen Gosch begann, in dessen Inszenierungen er Käthchen von Heilbronn, Prinz Friedrich von Homburg, Hamlet und Wlas in Maxim Gorkis „Sommergäste“ spielte.

2004 wurde er für seinen Wlas mit dem Alfred-Kerr-Preis ausgezeichnet und von der Zeitschrift „Theater heute“ zum Besten Nachwuchsschauspieler gewählt. Im folgenden Jahr spielte er dann in Goschs „nackter“ und viel diskutierter „Macbeth“-Inszenierung die Lady Macbeth.

Sein Kinodebüt gab Striesow 2000 unter der Regie von Rainer Kaufmann in der Ingrid Noll-Verfilmung Kalt ist der Abendhauch. Zu seinen wichtigsten Auszeichnungen gehören eine Nominierung für den Bundesfilmpreis für seinen Part in Hans-Christian Schmids Lichter sowie der Deutsche Filmpreis als Bester Nebendarsteller für seine Rolle als SS-Offiziers Friedrich Herzog in Stefan Ruzowitzkys Oscargewinner Die Fälscher (2007).

2005 kam Striesow als Jan Martensen ins Ermittlerteam der ZDF-Krimireihe Bella Block und als Schutzpolizist Keitel ermittelt er ebenfalls fürs ZDF in der Serie KDD – Kriminaldauerdienst, deren dritte Staffel gerade in Arbeit ist.

Zu seinen etzten bemerkenswerten Kinoauftritten gehören Andreas Kleinerts Freischwimmer (2008) und Christian Petzolds Yella (2007). Vor der Kamera stand Striesow zudem gerade für Sven Taddickens Störtebecker-Film Zwölf Meter ohne Kopf und Matthias Glasners This is Love, und aktuell spielt er eine der Hauptrollen in Jo Baiers Heinrich Mann-Verfilmung Henri IV.

War es eine besondere Schwierigkeit, einen Hochstapler zu spielen, der selber ständig verschiedene Rollen spielt?

Ich würde es als Herausforderung beschreiben. Ich durfte jemanden spielen, der reflexhaft in bestimmte Rollen verfällt, sobald sich Situationen oder Partner ändern. Ganz ähnlich wie bei einem Schauspieler. Und dieser Mensch beherrscht diese Rollen in diesen Momenten mit einer professionellen Perfektion. Aber zudem glaubt er ja fast selbst an all das, was er in diesen Momenten darstellt. Das zu zeigen, war sicher die große Herausforderung dieser Rolle - oder besser gesagt: dieser Rollen.

Haben Sie diesen Hochstapler Frank Knöpfel gespielt, wie er seine Rollen spielt, oder direkt die einzelnen Rollen, die er für seine kleinen oder großen Schwindeleien einsetzt?

Das hat sich wahrscheinlich vermischt. Das kann man kaum auseinander halten. In der Analyse des Drehbuchs und bei der Planung der Szenen haben wir das noch getrennt, aber nicht mehr beim Spielen. Ich hatte die Ausgangsrolle im Hinterkopf und bin dann in die verschiedenen Persönlichkeiten geschlüpft, die er je nach Situation darstellt: hier devot, dort herrisch, hier der Anlage-Guru, dort der Immobilienmakler oder ein Geschäftsmann aus Oslo. Bezeichnenderweise gab es in diesem Fall mehr „andere“ Rollen, als ihn selbst zu spielen. Das war ja das Verzwickte an dieser Figur. Wenn er am Ende sagt, er wäre so glücklich wie noch nie, ist das einer der wenigen Momente, in denen er wirklich er selber ist. Ansonsten ist ihm das Spielen so ins Blut übergegangen, dass er nicht mal in den privaten Momenten mit seinem Bruder wirklich aufs Spielen verzichtet. Die anderen kleinen Momente, in denen sein wahres Ich aufblitzt, kann man an einer Hand abzählen.

Was ist der Unterschied zwischen dem Rollenspiel eines Hochstaplers und dem eines Schauspielers?

Ganz ehrlich? So groß ist der Unterschied nicht. Neue Rollen zu spielen, ist für jeden Schauspieler eine Herausforderung. Es gibt Schauspieler, die möglichst erkennbar spielen, die ganz bestimmte Typen sehr eindeutig verkörpern. Aber man kann auch versuchen, verschiedene Charaktere so verschieden wie möglich zu spielen - mit einem möglichst geringen Wiedererkennungswert. Und so funktioniert der Hochstapler ja auch. Bei ihm ist es eine reine Überlebensstrategie, um nicht gefasst werden. Bei mir ist das möglichst „Verschiedene“ in gewisser Weise ebenfalls eine Überlebensstrategie, wobei es mir schon reicht nicht festgelegt zu werden. Insofern ist mir das gar nicht so fremd, nur dass der Hochstapler eben kriminell ist und ich mein Geld einigermaßen legal damit verdiene.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet? Gab es Treffen mit echten Hochstaplern und Betrügern?

Die Grundlage dieser Figur waren ja die vier Hochstapler aus Alexander Adolphs Dokumentation, die diese Zwanghaftigkeit des Vorspielens falscher Tatsachen, aber auch der Einsamkeit dieser Menschen sehr schön zeigt. Gesprochen habe ich selber nicht mit diesen Leuten, aber ich habe mich mehrmals mit Alexander Adolph getroffen und wir haben uns intensiv über den Film ausgetauscht, und er hat mir noch von seinen Begegnungen mit diesen und anderen Betrügern erzählt. Diese Menschen leben ja auch mit einer großen Behauptung ihrer selbst, und deswegen hat es mir völlig gereicht, zu sehen, wie sie sich vor der Kamera geben. Daraus konnte ich viel mehr ziehen, als aus einer persönlichen Begegnung, in der mir ein Hochstapler vielleicht noch ein paar Geschichten mehr erzählt, weil er weiß, dass ich ihn in einem Kinofilm spielen will.

Bei kaum einem anderen Schauspieler sieht man so konsequent immer wieder gebrochene, zerrissene Charaktere - teilweise mit fast schon schizophrenen Zügen. Sprechen diese Rollen etwas in Ihnen an oder sind sie nur deswegen so reizvoll, weil sie mehr Fleisch haben?

Es ist das Fleisch. Es gibt kraftvolle innere Entwicklungen, einen Bogen zwischen zwei oder sogar noch mehr Punkten, die oft extrem weit voneinander entfernt liegen. Und genau das bedeutet eben auch Spannung. Man beginnt eine Geschichte mit einer Figur, die dann im Laufe aufbröckelt, oder umgekehrt mit einer Figur, die am Anfang zerstört ist und sich wieder fasst. Auf jeden Fall muss man ein großes Spektrum bedienen und das Interessante daran ist, dass man als Schauspieler oft gar nicht so viel dafür tun muss, um diese Entwicklung zu zeigen. Es geht nicht um Show, sondern um Inhalt. Wenn eine Geschichte gut geschrieben ist, dann brechen sich die Figuren von ganz alleine. Je größer das Spektrum einer Geschichte und einer Figur, umso reichhaltiger ist der Stoff für einen Schauspieler.

Und diese Unfassbarkeit, dieses flüchtige, dass man auch bei Ihrer Rolle in So glücklich war ich noch nie sehen kann?

Auch das gehört zu meinem Anspruch. Man kann ja in jede Figur eine gewisse Doppeldeutigkeit hineinlegen. Sogar in den kleinsten Auftritt. So entstehen für mich Figuren, die ein echtes Leben entwickeln, die nicht fertig erzählt sind, die nicht alle Fragen beantworten und die man am liebsten noch weiter verfolgen würde, auch wenn im Kino schon der Abspann läuft. ■ mz | Quelle: StudioCanal

Drama
D 2009
94 min


mit
Devid Striesow (Frank Knöpfel)
Nadja Uhl (Tanja)
Jörg Schüttauf (Peter Knöpfel)
Floriane Daniel (Marie)
Thorsten Merten (Schlickenrieder)
Elisabeth Trissenaar (Fritzi)
Christian Kahrmann (Mike)
Marc Zwinz (Bewährungshelfer)
Hansa Czypionka (Günther)
u.a.

drehbuch
Alexander Adolph

musik
Dieter Schleip

kamera
Jutta Pohlmann

regie
Alexander Adolph

produktion
EIKON Media GmbH
ZDF - Das kleine Fernsehspiel
arte

verleih
StudioCanal

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