Kinostarts April 2009


Der Begriff Hochstapeln ist eine Kombination des aus dem Rotwelsch stammenden Stapeln (einem Synonym für Betteln und Tippeln) und der Vorsilbe „hoch“. Ein Hochstapler ist dementsprechend ein sich als vornehm gebender Bettler.
So glücklich war ich noch nie ist die tragische Geschichte eines sympathischen bis tollpatschigen Hochstaplers. Frank gibt sich als wohlhabender Geschäftsmann aus und flirtet mit einer hübschen Kundin in einer teuren Boutique. Beim Zahlen mit einer falschen Kreditkarte fliegt der Betrug auf, er muss daraufhin für 2 Jahre ins Gefängnis. Nach seiner Entlassung nimmt ihn sein Bruder in seiner Wohnung auf. Der rechtschaffene Bruder glaubt an die Einsicht und die Besserung zum guten Menschen durch ehrliche Arbeit.
Dies gelingt Frank auch, bis er Tanja wieder über den Weg läuft, der Kundin aus der teuren Boutique. Tanja arbeitet als Prostituierte in einem Bordell, was Frank nicht daran hindert, sich unsterblich in sie zu verlieben. Um sie aus der Abhängigkeit ihres Bordells zu befreien, tut er das, was er am besten kann: Er fällt zurück in sein Spiel aus wechselnden Identitäten. Zum Beispiel gibt er sich als Immobilienmakler aus und kassiert Kautionen für eine Wohnung, die ihm nicht gehört. Mit dem Geld will er Tanja freikaufen.
Dem Regisseur Alexander Adolph ist ein Glücksgriff gelungen, das Phänomen Hochstapelei sensibel und tiefgründig, mitunter komisch zu vermitteln, ohne allzu belehrend daherzukommen. In wohl ausgewählter Besetzung beleuchten die Charakterdarsteller Devid Striesow, Nadja Uhl und Jörg Schüttauf ein Thema, das gerade heute so aktuell ist wie nie zuvor. In Hinblick auf die Weltwirtschaftskrise lohnt sich die Auseinandersetzung, so zum Beispiel: Das Spiel des sympathischen Bankberaters, der bei seinem Kunden das Verlangen nach einem besseren Leben weckt - zu realisieren durch riskante Geldeinsätze, die garantiert zum absoluten Gewinn führen.
Der Hochstapler schlüpft in die verschiedenen Rollen mit der Absicht, Anerkennung zu finden. Durch die Begeisterung seines Gegenübers findet er diese. Die falsche Identität und das sich Verstricken in ein Lügengespinnst beendet jedoch immer wieder dieses kurze Glück. Die Wahrheit holt auf und das angemaßte Leben mit angemaßten Eigenschaften landen jäh auf dem Boden der Realität. Alexander Adolphs Film hat so ganz viel mit unserer momentanen Situation zu tun und sitzt damit sehr eng an unserem Lebensnerv. So könnte man meinen, dass sich die Geschichte als fade Dokumentation präsentiert und das mit gehobenem Zeigefinger. Mitnichten, Herr Adolph fängt die sich steigernde Dramatik immer wieder liebevoll auf, um dann die Dinge zu zeigen, die das Leben schön und außergewöhnlich machen!
So glücklich war ich noch nie ist der erste Spielfilm von Alexander Adolph. Die Geschichte basiert auf seinem Dokumentarfilm: Die Hochstapler aus dem Jahr 2006, in dem der Regisseur 4 Protagonisten vorstellt.
Der Filmkomponist Dieter Schleip schrieb sowohl die Musik zu Die Hochstapler als auch jetzt zu Alexander Adolphs Spielfilmdebüt, ein Film, der sich musikalisch wohltemperiert auf den Werdegang des Antihelden Frank einlässt. Zarte Spieldosenklänge begleiten Franks Spiel mit den verschiedenen Identitäten. Zu seiner Arbeit als Reinigungskraft klingt leichte Walzermusik, die die kreisenden Bewegungen seines Wischmobs beschreibt. Der Zuschauer könnte meinen, dass er nicht das Putzen auf der Leinwand sieht, sondern drehende Walzerpaare, die sich im nassen Boden spiegeln.
Dieter Schleips Musik aus So glücklich war ich noch nie, Die Hochstapler und Hat der Motor eine Seele...? wurde auf einer CD des Alhambra Labels veröffentlicht. So glücklich war ich noch nie ist gerade mit dem Max Ophüls Filmmusikpreis 2009 ausgezeichnet worden. ■ mz