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05 | 12 | 19 | 26
Sing Street
Irland in den Achtzigern. Vor dem Hintergrund von Rezession und Arbeitslosigkeit wächst der jugendliche Conor in Dublin auf. Als Außenseiter in der Schule gebrandmarkt, flieht er in die Welt der Popmusik und träumt nebenbei von der unerreichbaren, schönen Raphina. Seine Idee: Er lädt Raphina ein, im Musikvideo seiner Band aufzutreten. Sein Problem: Er hat gar keine Band, kann noch nicht mal ein Instrument spielen. Aber sein Plan darf auf keinen Fall scheitern. Also gründet er mit ein paar Jungs aus der Nachbarschaft kurzerhand eine Band und voller Leidenschaft schreiben sie ihre ersten Songs...
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»I'm a futurist.« - Conor

Nach seinem Oscar®-prämierten Überraschungserfolg Once und ►Can a Song save your Life?, in denen Musik jeweils eine ganz zentrale Rolle spielte, war es für John Carney an der Zeit, eine weitere musikalische Geschichte zu erzählen. Doch dieses Mal sollte sie noch persönlicher, ja geradezu autobiografisch sein: »Ich hatte kein Interesse daran, einfach nur irgendeine Geschichte mit Musik zu erzählen. Vielmehr wollte ich etwas in meinem eigenen Leben finden, was ich für erzählenswert und interessant hielt. Ich wollte einen durch und durch wahrhaftigen und persönlichen Film drehen.«

Die Ursprünge von Sing Street reichen viele Jahre zurück in John Carneys Teenagerzeit im Dublin der 1980er Jahre. Damals erlebte der Regisseur in der irischen Hauptstadt, was es bedeutet, von einer Privatschule an eine innerstädtische Gesamtschule zu wechseln. Genau aus dieser Erfahrung heraus entstand die Idee für einen Musikfilm über diese ganze besondere Zeit in seiner Jugend.

Für Produzent Anthony Bregman war die Vorstellung einer frischen, aber auch unschuldigen Romanze, die langsam zwischen den beiden Protagonisten erblüht, etwas dass er lange nicht mehr auf diese Weise auf der Leinwand gesehen hatte. »Die Beziehung zwischen Conor und Raphina ist hoch interessant, denn letztlich wird sie gar nicht im herkömmlichen Sinne vollzogen«, erklärt er. »Sie sieht nicht nur umwerfend aus, sondern ist auch älter, erfahrener und steht schon auf eigenen Beinen. Er dagegen steckt noch viel mehr in seiner Entwicklung. Als er sie das erste Mal anspricht, ist sofort klar, dass er eigentlich nicht in der gleichen Liga spielt wie sie.«

Neben dieser Liebesgeschichte ging es Regisseur Carney in seiner Geschichte allerdings auch um die Schwierigkeiten, die es damals in Irland nach sich zog, wenn Ehen zerbrachen. Scheidungen waren in den 80er Jahren in dem katholischen Land noch nicht erlaubt. Das machte es für Kinder alles andere als leichter wenn die Beziehungen ihrer Eltern in die Krise gerieten.

Für Carney ist Sing Street eine Geschichte der Kontraste - der Kontrast zwischen Irland und England, zwischen Dublin und London, und natürlich zwischen der geschützten Atmosphäre einer Privatschule und dem eines staatlichen Bildungssystems. Der größte Gegensatz ist in den Augen des Regisseurs allerdings der zwischen dem Teenager, der glaubt er habe Probleme, und dem Mädchen, in das er sich verliebt. Denn was sie mit sich herumträgt, übertrifft seine Sorgen noch bei weitem.

»Das Ganze ist wirklich eine Vorher-Nachher-Geschichte im Dublin der 80er Jahre«, erklärt der Filmemacher. »Das war damals eine Zeit der Rezession und Einwanderung, in der selbst die Reichen und Wohlhabenden oft kein Bargeld hatten. Also waren alle gezwungen, sich ein paar neue Gedanken zu machen darüber, welche Klamotten sie tragen, und wie sie sich über ihr Äußeres ausdrücken können.«

Die Hauptfigur des Films ist der etwas poppig-androgyn wirkende Conor Lawley, gespielt von Ferdia Walsh-Peelo (der Name ist Programm), ein Sopran-Solist, der mit Sing Street sein Filmdebüt gibt. Conors Eltern streiten sich nur noch und müssen ihn von der teuren Privatschule abmelden und auf eine öffentliche Schule in der Synge Street schicken, wo die Sitten rau sind. So ist der erste Tag an der neuen Schule alles andere als ein Zuckerschlecken: Statt mit schwarzen Schuhen, wie es die strenge Schulordnung vorsieht, ist er mit braunem Schuhwerk zum Unterricht erschienen und direkt zum Schulleiter Bruder Baxter zitiert worden. Und auch die neuen Mitschüler, allen voran der fiese Barry, tun ein Übriges, um ihm den Einstand nachhaltig zu erschweren. Nur Schulkamerad Darren gibt ihm hilfreiche Tipps. Dennoch schleicht Conor frustriert vom Schulhof, als er auf der anderen Seite ein Mädchen sieht, das so schön ist, dass er auf sie zugeht...

Raphina sieht aus wie aus einer anderen Welt, ein wenig älter, mit auffälligem Makeup, extravaganten Frisuren und sexy Outfit. Conor nimmt all seinen Mut zusammen und spricht sie an. Wider Erwarten lässt sie ihn nicht sofort abblitzen, was allerdings auch daran liegen könnte, dass sie von einer Modelkarriere träumt, und er ihr kurzerhand vorschlägt, die Hauptrolle im nächsten Musikvideo seiner Band zu übernehmen. Das Problem ist nur: Conor hat gar keine Band. Eigentlich spielt er noch nicht einmal ein Instrument. Doch daran soll die Eroberung seiner unerreichbaren Traumfrau nicht scheitern. Gemeinsam mit Darren macht er sich umgehend daran, die coolste Schulband der Stadt zusammenzustellen...

»No woman can truly love a man who's listening to Phil Collins.« - Brendan

In Eamon finden sie nicht nur einen Gleichgesinnten mit einem Wohnzimmer voller Musikinstrumente, sondern vor allem einen talentierten Songschreiber, der Conors Texte vertonen kann. Mitschüler Ngig wird in erster Linie aufgrund seiner Hautfarbe angeheuert, entpuppt sich aber genauso als fähiger Musiker wie die weiteren Mitstreiter Larry und Garry. Selbst der Name der Band ist, in Anlehnung an die Schule, schnell gefunden: Sing Street!

Für richtig gute Popsongs braucht es allerdings ein bisschen mehr als jugendliche Euphorie, wie nicht zuletzt Conors Bruder Brendan beim Hören des ersten Demotapes feststellt. Aber wozu hat man einen großen Bruder und dessen umfangreiche Plattensammlung, wenn nicht, um am Musikgeschmack zu feilen?! Brendan, der frustriert sein Studium geschmissen hat und sich fortan zuhause nur noch in seinem Zimmer mit seiner Musik einigelt, führt seinen kleinen Bruder in die Welt der aktuellen Trends und Bands ein.

Nach und nach lernt Conor alles, von New Romantic bis Synthie-Pop, von Joe Jackson bis The Cure. Als dann auch noch Raphina nicht nur zum ersten Videodreh der Band auftaucht, sondern den Jungs sogar Nachhilfe in Sachen Outfits und Coolness gibt (nennt z.B. Conor Cosmo), schwebt er schon fast auf Wolke Sieben. Wäre da nicht ihr deutlich älterer Freund, der abends lässig mit seinem Auto vorfährt und in Kürze zusammen mit Raphina nach London aufbrechen will. Denn Raphina hat ihren Traum von einer Modelkarriere in der Metropole noch nicht aufgegeben.

Regisseur und Autor John Carney wollte schon früh in der Entwicklungsphase des Films einen Songschreiber finden, der ihm dabei helfen würde, den Songs der Band einen authentischen, aber zugänglichen 80er-Jahre-Sound zu verpassen. Einer der Songschreiber, die er dafür in Erwägung zog, war passenderweise gerade aus Los Angeles zurück in seine schottische Heimatstadt Dundee gezogen: Gary Clark. Clark kennt man nicht zuletzt dank der Hit-Single „Mary’s Prayer“, die er 1987 für seine Band Danny Wilson schrieb. Der Song wurde in Großbritannien zwischen 1988 und 1989 dreimal veröffentlicht, bevor er schließlich Platz 3 der Charts erreichte. Aber in Irland war das Lied auf Anhieb zum Hit geworden und schaffte es gleich bei der ersten Veröffentlichung bis auf Platz 5.

In der Zusammenarbeit mit Musikern beim Soundtrack für seine Filme hatte Carney bereits reichlich Erfahrung. Bei Once etwa hatte er sich mit Glen Hansard zusammengetan, der in dem Film nicht nur die Hauptrolle spielte, sondern auch alle Songs schrieb und spielte. Mit „Falling Slowly“ wurde einer der Songs des Films 2007 sogar mit dem Oscar® ausgezeichnet. Für Can a Song Save Your Life? griff der Regisseur dann auf die Hilfe von New Radicals-Frontmann Gregg Alexander zurück, mit dem er die Musik für Keira Knightleys Figur schrieb.

Carney, der schon allerlei halbfertige Lieder in seinem Repertoire hatte, und Clark arbeiteten einen ganzen Monat vor Drehbeginn an der Musik und nahmen die Songs mit einer aus einigen der besten Studiomusikern Irlands bestehenden Band auf. Weil die Band im Film gerade erst anfängt zu spielen und noch längst nicht aufeinander eingespielt ist, mussten die Musiker ironischerweise allerdings bewusst schlechter spielen.

Weil Conor, der junge Protagonist des Films, zusehends mit verschiedenen musikalischen Stilrichtungen der 80er experimentierte, mussten die Songs und die Musiker seinen Fortschritt reflektieren. »Die Band macht die verschiedensten Phasen durch«, führt Bregman aus. »Sie nehmen einen Song im Stil von Duran Duran auf, einen wie Hall & Oates, einen wie The Cure und einen wie Elvis Costello. Jeder Song basiert auf einem ganz bestimmten Stil, was Liedschreiben und Gesang der 80er angeht. Es macht wirklich Spaß, einen Song quasi zu erkennen, den man vorher gar nicht kannte - einfach weil man hört, welchem Stil er entspricht.«

»Haven't you seen „Back to the Future“?!« - Darren

Für Carneys Kameramann Yaron Orbach ging es vor allem um die Frage, wie sich die musikalischen Elemente in die Erzählung einbinden und so nahtlos umsetzen ließen, dass für das Publikum keine irritierenden Brüche zwischen Dialogen und Songs entstehen. »Das Wunderbare an unserem ungezwungenen Ansatz mit der Handkamera war, dass er etwas Rhythmisches hatte«, berichtet er. »Für die Musikszenen war das genau das Richtige, denn wir konnten mit der Kamera ein gewisses Tempo erzeugen und die Bilder etwas lebendiger gestalten als wären sie eher statisch mit einem Kran oder der Kamerabühne entstanden.«

Von entscheidender Bedeutung für die Songs war neben den Studiomusikern auch Hauptdarsteller Ferdia Walsh-Peelo, der mit einem Mal im Mittelpunkt stand und mit seinem Gesang die Lieder zum Leben erwecken musste. »Die Arbeit im Studio war schon wirklich heftig«, gibt der junge Schauspieler zu. »Einen Monat lang hatte ich zuvor einmal die Woche intensiv an meiner Stimme gearbeitet, schließlich wusste ich, dass lange Studio-Sitzungen auf mich zukommen, bei denen ich den ganzen Tag singen muss. Ich habe wirklich viel gelernt!«

Für andere Ensemblemitglieder war die Musik dagegen eher eine Gelegenheit, in Erinnerungen zu schwelgen. Aidan Gillen beispielsweise fühlte sich zurückerinnert an seine ersten Begegnungen mit 80er-Jahre-Musik als Teenager. Für die jüngeren Schauspieler war der Film eher eine Art Unterweisung in die Musikgeschichte. Carney zeigte den Jungs jede Menge Musikvideos der 80er Jahre um ihnen nahezubringen, wie sich Bands damals auf der Bühne und dem Bildschirm bewegten und präsentierten.

Für Percy Chamburuka, der den jungen Keyboarder Ngig spielt, war das tatsächlich etwas ganz Neues: »Als ich zur zweiten Runde des Vorsprechens kam, zeigte mir John einige Tanzvideos aus den 80ern, in denen ich Keyboarder von damals sah, und wie sie sich anzogen. Von diesem Teil der Musikgeschichte hatte ich echt keine Ahnung. Ich wusste nicht, was für Musik man damals hörte und was für ein Stil das war. Entsprechend habe ich durch den Film wirklich einiges über dieses Jahrzehnt gelernt.«

Zwischen Lucy Boynton, welche die weibliche Hauptrolle übernahm, und Carney entwickelte sich die musikalische Nachhilfe zum Running Gag. »Es war fast schon peinlich, denn John erwähnte ständig all diese tollen Filme und Songs und fragte jedes Mal, ob ich die kennen würde. Tat ich aber nie«, lacht die junge Schauspielerin. »Er war dann immer ganz empört. Was denn mit mir nicht stimmen würde und wie es sein kann, dass man all diese Sachen nicht kennt. Aber was soll ich sagen? Ich war nun einmal in den 80ern noch nicht auf der Welt!«

Je besser die Musik von Sing Street wird, desto professioneller werden auch ihre Videos - ganz zu schweigen davon, dass auch Conor selbst sich verändert und auch mit Hilfe seines großen Bruders, der sein Vertrauter in allen Fragen ist, ganz neue Seiten an sich entdeckt. In der Schule trägt er Makeup und Hut, die Bullys lässt er links liegen und Raphina kommt er immer näher. Als die Band für einen neuen Dreh mit ihr an die Küste fährt, ist es endlich so weit: Es kommt zaghaft zum ersten Kuss!

Doch je weiter das Schuljahr voranschreitet, desto näher rücken nicht nur die Abschlussprüfungen und damit der Schulball, bei dem Sing Street ihr erstes Livekonzert geben wollen. Auch zuhause bleibt nichts, wie es war, denn Conors Eltern beschließen, sich zu trennen und ihr Haus zu verkaufen, was nicht zuletzt Brendan vollends aus der Bahn zu werfen scheint. Und als die Band ihr letztes großes Video aufnehmen will, ist Raphina plötzlich verschwunden...

»Problem is, you're not happy being sad. That's what love is, Cosmo - happy sad.« - Raphina

In den Augen von Kostümdesignerin Tiziana Corvisieri zeichnet Sing Street ein höchst akkurates Bild vom Leben in jenem Jahrzehnt. »Meiner Meinung ist der Film eine absolut authentische Repräsentation von Dublin in den frühen 80ern. Ich weiß wovon ich spreche, schließlich war ich damals als 16-jährige dabei«, lacht sie. »Wir zeigen wirklich, wie es damals war. Alles Spannende schien auf der anderen Seite des Wassers, in Großbritannien, zu passieren. Bei uns dagegen waren wir damit beschäftigt, immer nur genau dorthin zu blicken um mitzubekommen, was eigentlich in der Welt vor sich geht.«

Wer in den 80er Jahren groß geworden war, kann bei der Sichtung des Films nicht anders, als ein Déjà-vu zu erleben. Die unglaublich sorgfältig recherchierten Kostüme von Kostümbildnerin Tiziana Corvisieri, die Frisuren und das Makeup von Barbara Conway und Sandra Kelly sowie die höchst akkurate Ausstattung von Alan McDonald sorgten dafür, dass wirklich nichts unversucht blieb, um das von Carney gewünschte Gefühl von Authentizität und Gegenwart zu erreichen.

Man wippt bei den Liedern mit und bekommt automatisch ein gutes Gefühl, das ältere Zuschauende in Erinnerungen schwelgen lässt. Es ist eine klassische Junge-trifft-Mädchen-Geschichte, die die Herzen erwärmt und gleichzeitig die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse aufzeigt. Auch wenn Carney versucht hat, Reminiszenzen an Filme der 80er Jahre zu vermeiden, so kommt man an manchen Stellen doch nicht daran vorbei, wie z.B. die Abschlussballszene, in der Conor einen auf Marty McFly macht.

Die Authentizität der Figuren und der Musik machen den Film zu einem beschwingten Wohlfühlerlebnis, an das man gern zurückdenken mag. Der Wechsel vom anfänglichen Verliebtsein bis letztlich zum Zurückkehren auf den hässlichen Boden der Tatsachen, um dann doch noch eine Art Happy End hinzuzaubern, mag zwar nichts Neues sein, lässt jedoch das Gesamtbild nicht schmälern. Wem Carneys Vorgängerfilme gefallen haben, wird definitiv auch diesen Film ins Herz schließen! ■ mz

Drama/Komödie/Musik
IRL/GB/USA 2016
106 min



mit
Ferdia Walsh-Peelo (Conor Lawler/Cosmo)
Lucy Boynton (Raphina)
Ben Carolan (Darren)
Mark McKenna (Eamon)
Percy Chamburuka (Ngig)
Conor Hamilton (Larry)
Karl Rice (Garry)
Ian Kenny (Barry)
Jack Reynor (Brendan Lawler)
Maria Doyle Kennedy (Penny Lawler)
Aiden Gillen (Robert Lawler)
Kelly Thornton (Ann)
Don Wycherley (Bruder Baxter)
u.a.

drehbuch
John Carney

musik
Gary Clark

kamera
Yaron Orbach

regie
John Carney

produktion
Cosmo Films
Distressed Films
FilmNation Entertainment
FilmWave
Likely Story
PalmStar Media

verleih
StudioCanal

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