Freitag, 19. April 2024
Plan B - Interview mit Can Aydin & Cha-Lee Yoon
Cha-Lee Yoon und Can Aydin am 29. Mai 2017 bei der Premiere im Berliner Kino Cubix
© 20th Century Fox/Sebastian Gabsch
Wie entwickelt ihr die Choreographien für die Kampfszenen?
Can Aydin: Als Erstes baue ich ein Gefühl für die Szene auf. Danach entwickle ich das Konzept und wenn das ausgereift ist, kommen die Bewegungen Schritt für Schritt dazu, bis die ganze Choreographie steht. Danach lösen wir die Szene aus verschiedenen Winkeln auf und wissen dann genau, was wir brauchen. Wir drehen dabei auch schon mit einer ganz einfachen Kamera, um eine „previs“, eine Previsualisation der Szene zu haben, die wir auch schon schneiden. So sehen wir, ob die Szene funktioniert und wissen später am Set genau, was wir machen müssen und aus welchem Winkel gefilmt werden muss. Wir sind super vorbereitet und überlassen nichts dem Zufall. Und falls etwas angepasst werden muss, sind wir sehr flexibel und können schnell darauf reagieren. Wenn wir nicht so viel Vorbereitungszeit haben, läuft dieser Prozess in meinem Kopf ab und ich schneide die Szene dann auch in meinem Kopf und weiß so, ob sie funktioniert.
Du hast auch die Actionszenen im der finalen Version des Films geschnitten. Worauf kommt es dabei besonders an?
Can Aydin: Es gibt bestimmte Kamerawinkel für bestimmte Bewegungen, und man muss sich genau mit der Materie auseinandersetzen, also wissen, welche Technik von welcher Seite am besten aussieht, damit der Darsteller möglichst gut rüberkommt. Außerdem spielt eine sehr große Rolle, wie viel Futter, also Frames, man beim Schnitt zu der nächsten Szene gibt. Das macht viel für die Wirkung des Endprodukts aus. Wenn ich zum Beispiel einen Sidekick schneide, dann gebe ich in der nächsten Einstellung zwei, drei Frames dazu, damit sie sich überlappen. Ich zeige also den Sidekick noch einmal aus einem anderen Winkel, damit das menschliche Auge mitkommen kann. Insgesamt kann man die Technik aber nicht pauschalisieren. Es gibt nicht den einen Trick oder den Style, oder so etwas wie eine Grundregel, die man immer anwendet. Je nach Szene passen wir den Schnitt an, denn jede Actionszene hat ihre eigene Dynamik.
Die Fights sind unglaublich schnell. Wir schafft ihr das?
Can Aydin: Alles ist echt! Wir nennen das den Hongkong-Rhythmus und der ist wirklich sehr, sehr schnell. Das ist unsere Art zu kämpfen. Wenn es aber ums Kicken geht, müssen wir langsamer werden. Wenn man zum Beispiel vor der Kamera einen Hochkick macht und dabei mit dem Fuß schnappt, dann sieht die Kamera das nicht. Das wäre, als ob da Frames fehlen. Wenn wir also mit voller Wucht einen Hochkick abziehen, würde das einfach nicht wirken. Wir sind so schnell, dass wir die Bewegung verlangsamen müssen und im Nachhinein wird es dann in der Postproduktion angepasst. Aber alles was wir mit den Händen machen, ist in Echtzeit gedreht.
Ihr seid Spezialisten für „Actiondesign“. Was versteht man darunter?
Can Aydin: Actiondesign ist für uns ein Komplettpaket. Man braucht viel filmisches Verständnis, weil es eine ganz andere Geschichte ist, „on screen“ zu kämpfen. Man kann nicht einfach einen x-beliebigen Martial-Arts-Kämpfer oder Kampfkünstler aus der Schule rausnehmen und in einem Film einsetzen. Man braucht ein genaues Verständnis für die Abläufe und die Technik vor und hinter der Kamera und dafür, was nach dem Drehen beim Schneiden passiert. Und das bringen wir mit, so dass es eine runde Sache ist. Das Ganze funktioniert natürlich in mehreren Etappen. Es gehört auch das Training dazu, das wir täglich absolvieren. Wenn es zum Beispiel Projekte gibt, die Kampfstile von uns verlangen, die wir bisher nicht gemacht haben, dann müssen wir das trainieren und uns manchmal sogar drei Monate auf die Projekte vorbereiten. Wir setzen uns aber auch immer mit den stilistischen Mitteln des Films auseinander. Wenn ein Regisseur zum Beispiel schnelle Schnitte inszenieren will, bereiten wir uns darauf besonders vor. Wir bringen ein sehr großes Verständnis für die Action, für die Kampfkunst, für Film an sich und für das Genre mit.
Du hast bei Kung Fu Yoga schon zum zweiten Mal mit Jackie Chan zusammengearbeitet. Wie war der Dreh?
Can Aydin: Ich hatte drei Kampfkombinationen mit ihm. Leider hat es am Ende nur eine der Szenen in die endgültige Fassung geschafft. Es war super, mit ihm zu kämpfen. Für mich war das der ultimative Test. Wir kennen uns mit den Hongkong-Filmen sehr gut aus. Sie haben einen besonderen Rhythmus, der, finde ich, sehr realitätsnah ist. Wenn man tatsächlich auf der Straße kämpfen müsste, was wir Gott sei Dank nicht müssen und was wir auch keinem Menschen wünschen, dann heißt es, umso schneller du kämpfst, umso besser. Und deswegen finden wir diesen Hongkong-Rhythmus auch so gut, weil wir dabei schnell abgehen können. Wir haben alles durch die Filme gelernt und uns selbst beigebracht.
Aber wir wussten nie, ob wir das eigentlich richtig machen oder nicht. Das Endresultat war immer gut, aber mit dem König am Set zu sein und mit ihm zu drehen, ist eine ganz andere Nummer. Als ich schließlich dran war, haben wir ungelogen nur zwei Takes aufgenommen. Danach meinte er nur »Du bist gut. Du hast den Rhythmus drauf.« und dann kam noch die Crew dazu und hat geklatscht. Die waren begeistert, weil es für sie etwas Besonderes ist, wenn ein Weißer (und für die sind wir weiß) es drauf hat und ein Verständnis für ihren Rhythmus und ihre Kultur mitbringt. Ich wurde auch anschließend zu weiteren Projekten eingeladen, die ich aus Termingründen aber leider absagen musste. Es war eine sehr positive Erfahrung, und, wie schon gesagt, der ultimative Test für mich. Und der ist super gelaufen.
Du hast gerade die Hauptrolle in einem kanadischen Martial-Arts-Film abgedreht...
Can Aydin: Ja genau, nach Plan B sind wir nach Kanada gefahren, zu den Dreharbeiten von On the Ropes. Ich war der Hauptdarsteller mit Phong zusammen und Cha-Lee war auch dabei. Und Aristo Luis hat auch eine kleine Rolle in dem Film. In Plan B spielt er meinen Hauptwidersacher, den Afrikaner Aristo. On the Ropes ist ein englischsprachiger Film, der Ende des Jahres herausgebracht wird – wie ist noch nicht ganz klar.
Cha-Lee Yoon: Bei dem Kanada-Projekt war ich mehr hinter der Kamera. Ich habe eine kleine Rolle, aber im Vordergrund stehen Phong und Can. Ich hab' ihnen mehr hinter der Kamera assistiert, als Kampfkoordinator. Wenn zwei Freunde vor der Kamera stehen, ist es sehr wichtig, zu überprüfen, ob sie das, was sie zeigen wollten, auch geschafft haben. Weil wir uns so gut kennen, konnte ich immer sagen, ob der Take okay war oder noch einmal gedreht werden musste.
Cha-Lee, du hast schon als kleines Kind mit dem Taekwondo-Training begonnen und später deine Leidenschaft zum Beruf gemacht und mit Partner zusammen Reel Deal Action aufgebaut. Wie habt ihr euch gefunden?
Cha-Lee Yoon: Wir hatten alle die Passion, Filme zu machen und als Stuntman zu arbeiten. Wir hatten ein bisschen Ahnung von Action und haben uns dann in der Turnhalle immer zum Training getroffen. Wir sind also mehr zufällig zusammengekommen. Es war ein freies Training, bei dem man Turnen und Akrobatik machen konnte oder einfach ein paar neue Moves lernte. Nach ein paar Trainingseinheiten haben wir uns dann intensiver ausgetauscht. Wir hatten alle den Wunsch, eigene Filme zu machen. Erst einmal waren es Kurzfilme, um zu testen, was geht, und was nicht funktioniert. Und in dieser Testphase hat sich das Team so richtig entwickelt und gefestigt. Reel Deal Action entstand sehr spielerisch, aber immer mit einem ernsten Hintergedanken.
Dann spiegelt der Anfang von Plan B auch ein bisschen eure Geschichte wieder?
Cha-Lee Yoon: Auf jeden Fall. Das sind schon wir, aber die Charaktere sind natürlich überzeichnet. Wir nehmen uns nicht so ernst. Das ist einfach unser Humor.
Du hast mit Skyfall und Cloud Atlas auch schon bei großen internationalen Produktionen mitgearbeitet. Wie habt Ihr es geschafft, in der internationalen Szene Fuß zu fassen?
Cha-Lee Yoon: Das war schon sehr schwierig. Erstens gibt es nicht (wie in normalen Berufen) eine Ausbildung, nach der man dann ungefähr weiß, wie es weitergehen kann. Es ist ein freiberufliches Ding und man muss viele soziale Kontakte pflegen, man muss öfter zum Training gehen und sich mit anderen Stuntleuten austauschen und zusammen abhängen, damit die auch sehen, was du kannst.
Ganz viel passiert durch Mundpropaganda. Oder man trifft Leute, die schon länger im Geschäft sind und internationale Stuntkoordinatoren kennen, die einen dann weitervermitteln. Das läuft auf einer sehr persönlichen Ebene. Bei der Arbeit ist es wichtig, dass es persönlich untereinander klappt, dass man sich in ein Team einfügen kann, insbesondere auch in ein ausländisches. Es dreht sich also nicht nur um das Können, sondern auch um die persönlichen Aspekte. Wenn man ein bisschen länger in diesem Business tätig ist, hat man seinen Kreis von Stuntleuten, und dadurch kommen auch internationale Angebote, die man dann natürlich wahrnehmen muss.
Dann übernehmen die Stuntkoordinatoren eine ähnliche Funktion wie die Castingdirektoren für Schauspieler?
Cha-Lee Yoon: Sie haben ein bisschen diese Funktion, weil sie den Überblick bei den Stuntleuten haben und wissen, wie viele Leute sie für eine Actionszene brauchen, ob sie verschiedene ethnische Gruppen oder kleine Kämpfer oder Frauen oder gemischte Gruppen haben wollen. Dann gucken sie in ihre Kartei, um zu sehen, wer passen könnte. Und wenn Leute fehlen, wird auch im Ausland gefragt.
Ihr habt euch für euren ersten eigenen Film zwei Regisseure ausgesucht, für die Plan B auch das Regiedebüt ist. Wie seid ihr zusammengekommen?
Cha-Lee Yoon: Ufuk Genç hat hier in Berlin eine Postproduktionsfirma und Michael Popescu ist Musikproduzent, und die sitzen alle hier im selben Haus. Ufuk und Michael haben schon länger zusammengearbeitet. Und wir sind dann durch Zufall, über YouTube und Internet und Freunde, die Musik machen, auch hierher gekommen. Danach sind wir uns öfter über den Weg gelaufen und haben uns ausgetauscht. Schließlich war klar, das wir bei einem kleinen Projekt zusammenzuarbeiten, um zu sehen, ob es klappt oder nicht. Und es hat natürlich alles geklappt. Auch auf der persönlichen Ebene. Und das Endprodukt war auch noch super! So ist ein Team aus uns geworden.
Wie habt ihr es geschafft, den Film ganz frei zu finanzieren?
Cha-Lee Yoon: Das hat Ufuk organisiert. Er hat einen privaten Investor gefunden, der unser Talent erkannt hat und uns eine Chance geben wollte. Das war natürlich toll und viel besser als Crowdfunding und diese ganzen anderen Sachen. Und wir hatten freie Hand. Es gab Niemanden, der uns reingeredet hat weder beim Dreh noch beim Drehbuch. Der Film ist unsere Idee und zu neunzig Prozent ist sie auf der Leinwand auch zu sehen.
Gehört der Drehbuchautor Rafael Alberto Garciolo auch zur Familie?
Cha-Lee Yoon: Ja, wir nennen es unsere Plan B-Familie, mit der wir mittlerweile sehr eng zusammengewachsen sind. Unseren Drehbuchautor habe ich erst durch das Projekt kennengelernt. Es ist ein sehr guter Freund von Michael, der ihn empfohlen hat. Die Zusammenarbeit hat super funktioniert. Er wusste genau, was wir wollten. Wir haben unsere eigene Sprache, die nicht so geschwollen ist, aber für den Film wollten wir dazu noch einen gewissen Humor haben, den nicht jeder versteht. Alberto hat es sofort kapiert und auch sehr gut aufs Blatt gebracht. Jetzt gehört er auch zur Plan B-Familie und wir werden zusammen weitere Projekte verwirklichen.
Gibt es schon weitere Pläne?
Cha-Lee Yoon: Natürlich Plan C! Und wir haben noch weitere Ideen, aber noch nichts Konkretes.
Unterstützt ihr Euch bei den verschiedenen Projekten immer gegenseitig?
Cha-Lee Yoon: Unbedingt. Wir sind sehr eng befreundet. Was schon besonders ist, weil in dem Business eher eine Ellbogen-Politik herrscht. Da unterstützt nicht jeder jeden. Aber wir kommen damit gut voran und deshalb bleiben wir dabei. Der Zusammenhalt wird bei uns ganz groß geschrieben. Während der Dreharbeiten von Plan B waren wir zum Beispiel alle auch mal krank und mussten trotzdem die Actionszenen drehen, weil wir nur ein kleines Budget hatten. Wir hatten pro Kampfszene einen Drehtag (außer für die finale Szene) und wir konnten es uns nicht leisten, die Locations einfach zu verlängern. Also haben wir sogar mit Fieber gearbeitet. Das schweißt noch mehr zusammen. ■ mz | Quelle: 20th Century Fox
8. Juni 2017

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