Als M. Night Shyamalan vor zwei Jahren Split inszenierte, wusste zunächst kaum jemand, dass der Filmemacher die Idee hatte, ihn in das gleiche Erzähluniversum einzufügen, das er 17 Jahre zuvor mit Unbreakable - Unzerbrechlich ins Leben gerufen hatte. Split sollte das Bindeglied der unerwartetsten und überraschendsten Trilogie der Filmgeschichte werden. Erst als am Ende des Films der von Bruce Willis gespielte Wachmann David Dunn aus Unbreakable einen Kurzauftritt absolvierte, war den Zuschauern die Verbindung bekannt. Aber warum?
Nun liefert der Filmemacher die Antwort: Glass führt die Handlungsstränge beider Filme zusammen und bietet eine Art Abschluss einer Trilogie. Unbreakable lieferte zwar ein Ende, aber eigentlich hätte an der Stelle der Film so richtig angefangen. Darin entdeckte besagter Wachmann, dass er als Einziger ein Zugunglück ohne Kratzer überlebt hatte.
Auf Drängen des geheimnisvollen Comicsammlers Elijah Price, der an einer Krankheit leidet, die seine Knochen schon bei dem leichtesten Stoß zerschmettern lässt, glaubt David schließlich daran, dass er Superkräfte hat und resistent gegen Verletzungen und Krankheiten ist. Doch nicht nur das – er besitzt außerdem die Fähigkeit, durch eine einfache Berührung zu sehen oder zu spüren, was andere getan haben. Mit diesen Fähigkeiten kann man eigentlich nur noch zum Superhelden werden.
Elijah glaubt fest daran, dass Comics lediglich übertriebene Wahrheiten sind, und dass es zu jedem Extrem ein Gegenteil gibt. So suggeriert M. Night Shyamalan zunächst, dass David Dunn wegen dessen Unverletzbarkeit das Gegenteil zu Elijah Price ist, dessen Knochen äußerst instabil sind, und er sich deshalb mit David befreundet, um seine Leiden zu beenden. Doch am Ende lernen wir, dass Elijahs Motive rein comicbasiert sind - zu jedem Superhelden gehört ein Superbösewicht.
»If superheroes exist, why are there only three of you?«
Dazu gesellte sich nun Kevin Wendell Crumb, ein Mann mit multipler Identitätsstörung, dessen etwa 20 Persönlichkeiten eindrucksvoll von James McAvoy gespielt wurden. Dessen teils bösartige Persönlichkeiten (zusammengefasst als „Die Horde“) entführten drei Teenagerinnen, um die „unreinen“ Mädchen an eine weitere Persönlichkeit zu verfüttern - einer übermenschlichen Kreatur namens „Bestie“.
Da die Bestie eines der Mädchen, Casey, verschont, weil diese Narben an ihrem Körper besitzt, die auf eine Kindesmisshandlung schließen, tritt diese auch nun in Glass wieder auf - ebenso wie Elijahs Mutter und Davids Sohn - allesamt von den Schauspielern verkörpert, die auch in den ersten Filmen ihre jeweiligen Rollen gespielt hatten. Einzig die von Robin Wright gespielte Ehefrau Davids ist nicht erneut mit von der Partie. Der Filmemacher brauchte aber auch nur je eine Bezugsperson, um die Geschichte abzurunden.
In Glass, dessen Titel folgerichtig der dritten Figur im Bunde zugute kommt, bekommt auch letztlich dessen Theorie Zündstoff, denn die Psychiaterin Dr. Ellie Staple hat es sich in den Sinn gesetzt, den seit Davids erschütternder Erkenntnis, dass Elijah für all die Unglücke verantwortlich zeichnete, die hunderten von Menschen das Leben gekostet hatte, nur um den einen Helden zu finden, der sich in sein Gedankengefüge einpasst, in der Psychiatrischen Forschungsanstalt Raven Hill untergebrachen Elijah, den von David aufgespürten Kevin und David selbst zusammen in die Anstalt zu stecken, um die Drei zu überzeugen, alle ihre Fähigkeiten seien nur Einbildung.
»You can't possibly explain everything away.«
»Ich will, dass jeder Film in Hinblick auf seine Kraft, seine Sprache und seine Originalität für sich steht«, führt der Regisseur aus. Doch das künstlerische Ganze der Trilogie sollte mehr als die Summe seiner Teile sein. »Die drei Filme würdigen einander so wie Brüder und Schwestern.« Produzent Ashwin Rajan fügt hinzu: »Das war die Hoffnung - zwei Welten, zwei vorangegangene Filme, die miteinander kollidieren. Die Kreativarbeit lag darin, diese beiden Welten nahtlos miteinander zu verknüpfen, sowohl aus Produktionssicht als auch auf erzählerischer Ebene, damit Nights Vision wahr werden würde.«
Während Unbreakable von einem Mann handelte, dessen bescheidene Selbstwahrnehmung ihn für seine wahren Fähigkeiten blind gemacht hat, und Split die tödliche Kraft eines Monsters ergründete, die auf einem traumatisierten Geist basiert, widmet sich Glass nun den Wurzeln der Identität an sich: Sind wir, objektiv betrachtet, wer wir sind, oder können unsere Gedanken unsere physische Realität formen und letztlich bestimmen? Wenn man glaubt, dass man ein Superheld ist, ist man es dann, selbst wenn dieser Glaube eine Wahnvorstellung ist?
M. Night Shyamalan führt die Geschichten beider Filme gekonnt zusammen - etwas, das er offensichtlich von seiner Serie Wayward Pines gelernt hat. Bis dato hatte er noch keine Fortsetzungen gedreht. Erst zu Split kam ihm die Idee der Verknüpfung mit Unbreakable und die Kulmination beider in einem dritten Film. Als Bonus kam hinzu, dass der Filmemacher in der Lage war, noch nie gesehenes Material aus Unbreakable in Glass einzubringen, um Szenen für David Dunns oder Josephs Erinnerungen zu kreieren.
»Das war fantastisch, weil die Szenen, die wir aus Unbreakable herausschneiden mussten, mir nie aus dem Kopf gegangen waren. Und ich war sicher, ich könnte sie in den Film einarbeiten, wenn ich es gut hineinschreibe«, schwärmt der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent.
»Wir waren begeistert, sie in den Film einfügen zu können. Und das Publikum wird kaum glauben können, was es dadurch zu sehen bekommt. In einer Szene gibt es einen Jungen und in der nächsten sieht man den gleichen Jungen von mittlerweile 25 Jahren - ganz ohne digitale Effekte! Es ist tatsächlich ein und dieselbe Person. Und das Gleiche gilt für Bruce Willis. Jemanden direkt vor den eigenen Augen 18 Jahre altern zu sehen, hat etwas Kraftvolles.«
👱‍♀️ 👹 💪🏻 💠
Allerdings fehlt dem Ganzen noch der Schliff. Wie bei den Vorgängerfilmen fragt man sich: Und? Was will er uns damit sagen? Um es zusammenzufassen: Ein Psychopath trifft endlich seine Nemesis, muss sie aber erst dazu überzeugen. Hallo?! Schön bescheuert. Einem Mann wird mitgeteilt, dass er Superkräfte besitzt, woraufhin dieser zu einem Superheld wird. Logisch. Dann lernen wir einen psychisch Gestörten kennen, der Mädchen entführt, um sie quasi an sich selbst zu verfüttern. Gut und Böse in einer Person. Und dann treffen die Drei aufeinander und werden von jenem Psychopathen zu einem Showdown gezwungen, der jedoch nicht so ganz nach Plan verläuft.
Es geht hier nicht wirklich um Comichelden á la Marvel oder DC - es sind drei Psychogramme, die mit dem Thema spielen, aber nicht so recht die Katze aus dem Sack lassen, ja vielmehr den Sack vor dem Öffnen verbrennen, als wenn man einen spannenden Filmtrailer sieht, man aber den Film nie zu Gesicht bekommt. M. Night Shyamalan setzt dabei erneut auf die schillernden Charaktere und dessen Akteure und schafft es doch tatsächlich, die plötzliche Trilogie zu einem runden Ende kommen zu lassen. Trotz alledem bleibt am Ende die Frage: Was sollte das Ganze? Unbreakable war sehr und wortkarg, Split das genaue Gegenteil, was sich in Glass mit ein wenig Action verbindet. Hin und wieder wird das Publikum auf eine falsche Fährte gesetzt, wohin der Film denn gehen solle. Aber alle drei Filme waren so langatmig, dass man sich fragt, ob der Stoff nicht doch besser in einer TV-Serie aufgehoben gewesen wäre. ■ mz
22. Januar 2019
Drama/SciFi
USA 2019
129 min


mit
James McAvoy (Kevin Wendell Crumb)
Bruce Willis (David Dunn)
Samuel L. Jackson (Elijah Price)
Sarah Paulson (Dr. Ellie Staple)
Anya Taylor-Joy (Casey Cooke)
Spencer Treat Clark (Joseph Dunn)
Charlayne Woodard (Mrs. Price)
Luke Kirby (Pierce)
Adam David Thompson (Daryl)
M. Night Shyamalan (Jai)
u.a.

drehbuch
M. Night Shyamalan

musik
West Dylan Thordson

kamera
Mike Gioulakis

regie
M. Night Shyamalan

produktion
Universal Pictures
Blinding Edge Pictures
Blumhouse Productions
Buena Vista International

verleih
Disney


vorspann
Logos, 1. Szene, Titeleinblendung und Vorspann über Filmszenen

abspann
Titeleinblendung, rollender Abspann mit mitrollenden Glassplittern im Hintergrund, die Bilder und Szenen aus allen 3 Filmen zeigen

erwähnung
keine