Die Frau des Nobelpreisträgers
The Wife
Joan und Joe Castleman sind seit fast 40 Jahren verheiratet. Joe gefällt sich als einer der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. Er genießt in vollen Zügen die Aufmerksamkeit, die ihm zu Teil wird, diverse Affären inklusive. Seine Frau Joan scheint dabei mit viel Charme, einem scharfen Sinn für Humor und intelligenter Diplomatie die perfekte Unterstützung im Hintergrund.
Als Joe für sein literarisches Œuvre mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden soll, reisen sie gemeinsam nach Schweden. Begleitet werden sie dabei von ihrem Sohn David - selbst angehender Schriftsteller ohne Vaters Segen. Zwischen hochoffiziellen Empfängen, Ehrfurchtsgebaren und Damenprogramm werden die Risse der Ehe sichtbar und eine unruhige Unzufriedenheit beginnt durch Joans stoische Fassade zu brechen. Zu allem Überfluss werden die Castlemans auch noch von Journalist und Möchtegern-Biograph Nathaniel Bone verfolgt, der unnachgiebig versucht, ein dunkles Geheimnis aufzudecken.
»There is nothing more dangerous than a writer who's feelings are hurt.«
Wenn der Film schon Die Frau des Nobelpreisträgers heißt, bzw. die dazugehörige literarische Vorlage/Originaltitel „Die Ehefrau“, ahnt man bereits, worauf die Geschichte hinausläuft. Umsonst würde man nicht den Fokus der Hauptfigur auf dessen Ehefrau verschieben. Um die dramatische Kurve allmählich nach oben zu treiben, gibt es einerseits den Journalisten Nathaniel Bone, der souverän, jedoch unauffällig von dem einst hippen Christian Slater gespielt wird, und der, wie der Name schon sagt, nicht nur jeden Knochen einatmet, der ihm vor die Nase geworfen wird, sondern auch ein ebenso hartnäckiger Knochen ist. Er gibt nicht auf, bis er alle Geheimnisse der Castlemans aufgedeckt hat.
Andererseits gibt es dann noch den Sohn David, der ebenfalls ein angehender Schriftsteller ist, und bei seinem Vater Bestätigung ersucht. Er drängt ihn immer mehr, endlich seinen ersten Roman zu bewerten. David erwartet bei den Ausflüchten seines Vaters eine vernichtende Kritik, auch wenn man es dem Vater nicht übelnehmen kann, sich damit später auseinanderzusetzen, denn die Preisverleihung mit all dem Drumherum ist anstrengend genug. Erst als David auf den Journalisten trifft, beginnt er zu verstehen, warum sein Vater ihm ausweicht.
»A writer has to be read, honey!«
Die Haupthandlungsebene liegt in den Neunzigern, aber da das Castleman-Paar schon seit knapp 40 Jahren verheiratet ist, gibt es etliche Rückblenden in die 50er und 60er Jahre. Den Bestseller, der dem Drama zugrunde liegt, schrieb die amerikanische Autorin Meg Wolitzer 2003. Man erkennt die Periode vor allem daran, dass im Film noch fast überall geraucht werden kann, und dass die Castlemans in einer Concorde fliegen. Jonathan Pryce und Glenn Close spielen das gealterte Paar gekonnt, doch grandios wird es erst, wenn man in den Rückblenden Harry Lloyd und Annie Starke betrachtet.
Zunächst sieht man zwei hübsche junge Menschen, denen man beim Balzen zusehen kann, wobei älteren Zuschauern Annie Starke an eine junge Virginia Madsen erinnert. Und obwohl beide in ihren ersten Szenen noch wenig Ähnlichkeit mit ihren älteren Egos besitzen, bemerkt man schon bald an deren Mimik eine verblüffend echte Übereinstimmung mit den gealterten Castlemans. Besonders bei Annie Starke fällt die Ähnlichkeit zu Glenn Close immer mehr auf, was auch nicht von ungefähr kommt, denn sie ist in Wirklichkeit ihre Tochter, die bereits 2001 in dem TV-Film South Pacific sowie zehn Jahre später in Albert Nobbs an der Seite ihrer Mutter Filmluft schnuppern durfte. In diesem Film hat sie ihre erste größere Rolle und spielte im selben Jahr noch in zwei weiteren Filmen mit, in Wer ist Daddy? übrigens ebenfalls die junge Version ihrer Mutter.
🛫 🏅 📚
Für die Verfilmung des Romans musste Jane Anderson ein paar Dinge adaptieren. So wurde z.B. aus irgendeinem obskuren Preis der Nobel-Preis. Auch hatte sie dem Sohn mehr Platz eingeräumt. Und obwohl der Film in Schweden spielt, wurde in Schottland gedreht, was jetzt nicht unbedingt auffällt, wenn man sich nicht auskennt, denn Regisseur Björn Runge hat ordentliche Arbeit geleistet, Glasgow wie Stockholm wirken zu lassen.
Die Frau des Nobelpreisträgers ist Schauspielerkino, das hauptsächlich drinnen spielt und von den Dialogen und Schauspielern lebt. Die Geschichte an sich ist relativ vorhersehbar, gewinnt jedoch durch diesen Emanzipationshintergrund im Zuge der #meeto-Bewegung an Bedeutung, indem sie ein Frauenbild zeichnet, es damals mit heute vergleicht und ein Resümee zieht. Hinzu kommt, dass der Film auch einen Einblick hinter die Kulissen der Nobel-Preisverleihung gewährt. Ob diese Rolle für eine 7. Oscar®-Nominierung für Glenn Close reicht, wird sich am Sonntag zeigen, wenn die Golden Globes® verliehen werden. Für diesen ist sie jedenfalls mit dieser Darstellung nominiert. ■ mz
31. Dezember 2018
Drama
GB/S/USA 2017
101 min


mit
Glenn Close (Joan Castleman)
Jonathan Pryce (Joseph Castleman)
Max Irons (David Castleman)
Christian Slater (Nathaniel Bone)
Harry Lloyd (Joe jung)
Annie Starke (Joan jung)
Karin Franz Körlof (Linnea)
Elizabeth McGovern (Elaine Mozell)
u.a.

drehbuch
Jane Anderson
basierend auf dem Roman „Die Ehefrau“ von Meg Wolitzer

musik
Jocelyn Pook

kamera
Ulf Brantås

regie
Björn L. Runge

produktion
Silver Reel
Meta Film London
Anonymous Content
Tempo Productions
Embankment Films
Creative Scotland
Spark Film & TV
Film i Väst
Chimney

verleih
SquareOne


vorspann
Produktionsfirmen-Einblendungen, Prolog, Titeleinblendung

abspann
Vorspann, Abspann

erwähnung
keine