A Star is born
Es ist die erste große Kinofilmrolle für Pop-Ikone Lady Gaga und die erste Regiearbeit von Publikumsliebling Bradley Cooper, der nicht nur zusätzlich den Film mitproduziert, am Drehbuch sowie an den Liedern mitgeschrieben hat, er spielt und singt auch noch die männliche Hauptrolle - eine Mammutaufgabe, die er mit Bravour auf die Leinwand gezaubert hat!
»I don't sing my own songs.«
Country-Musik-Star Jackson Maine ist am Zenith seines Erfolges angekommen. Er gibt Konzerte vor tausenden von Fans und gibt sich anschließend in einer nahegelegenen Bar die Kante - so auch in jener Nacht, in der der Film beginnt. Doch in jener Bar, in der an jenem Abend zufällig eine regelmäßige Drag Night stattfindet, entdeckt er Ally, die als einzige Frau auf der Bühne „La vie en rose“ singt und sich schließlich lasziv auf der Theke streckt und Jackson begegnet.
»Als Jack, nachdem er Ally beim Singen gesehen hat, hinter die Bühne kommt, ist sie ein wenig nervös. Sie versteht nicht, was vor sich geht oder warum dieser berühmte Musiker mit ihr einen trinken gehen will«, sagt Lady Gaga. »Sie ist überwältigt.« In jener Nacht führen sie die Umstände zunächst in eine Cop Bar, dann auf einen Supermarkt-Parkplatz. Doch trotz der unromantischen Orte braucht Ally nicht sehr lang, um den Mann an ihrer Seite einzuschätzen. »Sie beginnt, sich ihm zu öffnen, und er sagt ihr, wie schön sie ist, und sie glaubt ihm das trotzdem nicht so ganz...aber sie versucht es.«
Dann treffen wir auf Allys Vater Lorenzo, der von keinem geringeren als Andrew Dice Clay gespielt wird. »In der achten Klasse prägte ich mir Andrew Dice Clays Komödienbänder ein und rezitierte sie - zum Leidwesen meiner Freunde«, lächelt Regisseur Bradley Cooper, der trotz seiner ernsthaften Filmrollen die Komödie liebt. »Ich habe ihn aber stets als sehr talentierten Schauspieler betrachtet, und ich habe jeden seiner Filme gesehen, daher war es für mich spannend, mit ihm zu arbeiten.«
Andrew Dice Clay, dessen hineingewachsener Mittelname mit dem von Bully verglichen werden kann, hatte 1990 seinen karrieretechnischen Höhepunkt als Rock'n'Roll-Detective Ford Fairlane. Nach seinem Auftritt in dem Film Eine Nacht bei McCool's (2001) und diversen Schrottfilmen zuvor, nahm der Komiker eine gesetzlich festgesetzte Auszeit von Leinwand und Bildschirm, bis er 2011 mit Entourage sein Comeback einläutete und seitdem u.a. in Blue Jasmine oder der Serie Hap and Leonard wieder Fuß fasste.
Nun spielt er sich wieder hoch - hier als Allys Vater, der seine Tochter unterstützt, aber auch vor ihrem Hochmut beschützt. Wenn er über Ally sagt, sie hätte „eine himmlische Stimme. Aber weißt du was? Es sind nicht immer die besten Sänger, die es schaffen“, dann vergleicht er sie mit den großen Stars seiner Generation - Typen, die sich wie Sinatra anhörten, aber nicht das Aussehen hatten, den Haifischhaut-Anzug, die blauen Augen. Bei solchen Worten erkennen die Fans von Lady Gaga sofort die Parallelen zum wahren Leben.
»Ich werde nie vergessen, an dieser Szene gearbeitet zu haben«, sagt die Sängerin und Schauspielerin. »Er führte mich sogleich dorthin zurück, wie ich mich als Kind fühlte, wenn ich zu Vorsprechterminen ging. (Ich wollte eigentlich Schauspielerin werden, noch bevor ich Sängerin werden wollte.) Und ich kam niemals in die Nähe eines Rückrufs für eine Rolle. In jenem Moment, denke ich, sieht man in Ally jemanden, der sich von der Musikindustrie extremst abgelehnt fühlt. Sie glaubt nicht an sich selbst. Sie denkt nicht, dass sie hübsch ist oder ihre Stimme von Bedeutung sei. Und da ist dann dieser Moment, in dem man Lorenzo sieht, wie er versucht, sie aufzubauen, um sich wohlzufühlen. Doch das ist kein Wohlfühlen. Es ist nur eine Erinnerung, dass sie in ihren 30ern ist und es nicht geschafft hat.«
»If you don't dig into your own soul, you have no legs.«
Für ihre Ermutigung hat Ally ihren Freund und Kollegen Ramon, der praktisch ihr Cheerleader ist. Er ist es schließlich auch, der Jacks erstes Treffen mit Ally arrangiert. »Ramon sieht Jackson Maine außerhalb des Clubs und holt ihn hinein, setzt ihn einer Welt aus, der er womöglich nie zuvor ausgesetzt war«, sagt Schauspieler Anthony Ramos. »Er sieht, wie Jackson auf Allys Darstellung reagiert, was Ramon zutiefst erfreut., denn er weiß, wie talentiert Ally ist. Er führt ihn zu Ally und ermutigt sie, dem Typen eine Chance zu geben.«
Er gibt ihr auch einen Schubs in die richtige Richtung - auf die Bühne, als sie am Bühnenrand von Jacksons Konzertauftritt zuschauen. Doch es ist ein renommierter Musikmanager, der ihre Solokarriere vorantreiben sollte. Rafi Gavron, der den Regisseur seit mehr als 15 Jahren kennt, übernahm die Rolle des Managers, der mehr als nur oft im Clinch mit Jack steht - Rez Gavron. Der Nachname ist demnach kein Zufall, was seine Familie erfreuen wird, wenn Ally in einer Szene auf der Bühne ihrem Manager Rez Gavron dankt.
Mit Erfahrung kommt Wissen, und Rez »weiß alles über Jack, all seine Erfolge, all seine Rückschläge. Er respektiert ihn als talentierten Musiker, doch er weiß, dass Jack Suchtprobleme hat, und ist besorgt, ob sich das in den Weg von Allys Potenzial, erfolgreich zu werden, stellt. Er hat es schon zuvor gesehen. Jack ist in sie verliebt, aber Rez ist in ihr Talent verliebt. Sein Glauben in sie ist so außergewöhnlich, er will, dass die Welt sie hört. Somit hat auch er etwas zu beschützen«, beschreibt der Schauspieler.
»Rez ist wirklich Teil von Allys eigener musikalischer Reise, ein Teil von ihr kommt von einem eigenen Ort, entwickelt ihre Musik und sogar ihr Erscheinungsbild jenseits des Rahmens, was Jack für sie getan hat«, beschreibt Bradley Cooper die Figur, die oftmals in eine „Guter Bulle/böser Bulle“-Position gesteckt wird. »Eine Menge von dem, was Rafi getan hat, war improvisiert, und er hat eine brillante Arbeit damit geleistet, aufzuzeigen, in wie fern ein Künstler von anderen Menschen beeinflusst wird und neue Welten betritt.«
Entgegen den vorangegangenen Versionen dieser Geschichte, die bereits zum dritten Mal adaptiert wurde, sich aber erst zum zweiten Mal der Musikbranche widmet, ist es Allys Entscheidung, ihre Karriere in eine andere Richtung zu lenken, und nicht Jacks Missgunst gegenüber ihrem meteoritenhaften Aufstieg, was zwischen die beiden kommt. Sie bahnt sich ihren eigenen Weg, und er denkt, sie verkauft sich unter Wert. »Rez will, dass Ally von hinter dem Klavier hervorkommt, um mit einem Choreographen zu arbeiten, und sie lässt sich darauf ein«, sagt Lady Gaga. »So etwas wie das ist mir auch passiert, und vielen anderen auch, bin ich mir sicher. In dieser Hinsicht ist die Geschichte sehr ehrlich.«
»Music is essentially twelve notes between any octave - twelve notes and the octave repeats. It’s the same story told over and over. All any artist can offer the world is how they see those twelve notes.«
Ebenfalls mit dabei ist Sam Elliott, neben Tom Selleck einer der stolzen Schnurrbarträger der Filmindustrie. Bradley Cooper schrieb die Rolle von Jacks älterem Bruder Bobby auf dessen Leib. Bobby ist die geerdete Figur des Films - Jacks Ziehvater, Manager, Berater und manchmal vermutlich auch Trinkkumpel. Er ist es, der Jacks Kopf immer wieder gerade rücken muss, was allerdings im Laufe des Films eskaliert und die beiden entzweit. Zum Glück beider verstanden sich die Schauspieler auf Anhieb, ohne vorher einander begegnet zu sein.
Als die beiden zusammenkamen, arbeitete Bradley Cooper bereits mit dem Sprachtrainer Tim Monich, mit dem er bereits bei American Sniper zusammengearbeitet hat, um Jacks Sprechstimme tiefer zugestalten. Sam Elliott war von der auszgezeichneten Arbeit beeindruckt: »Er spielte mir diese Aufnahme vor, in der er sich mit seinem Sprachtrainer unterhält. Als ich sie hörte, war ich verblüfft, wie sehr sich seine Stimme meiner ähnelte.« Dann zeigte er ihm auch noch Material von ihm, wie er mit Lady Gaga singt. »Er zeigte mir auf seinem Handy einen Ausschnitt von ihm und Stefani singend am Klavier sitzend. Und wieder - verblüfft über die Schönheit davon.«
🎹 🎸 🎤
In einen Musikfilm gehören natürlich auch Gastauftritte von Leuten aus Film, Bühne und der Musikbranche, die in kleinen Rollen auftreten, so z.B. Ron Rifkin, Greg Grunberg, Eddie Griffin, Marlon Williams, Don Was oder Brandi Carlisle. Und Willie Nelsons Sohn Lukas Nelson spielt in dem Film zusammen mit seiner Band Promise of the Real sogar Jackson Maines Band! Auch gibt es einen Kurzauftritt von Alec Baldwin, der Ally als Musikgast der legendären NBC-Show Sturday Night Live ankündigt.
Alles zusammen betrachtet kann man Bradley Coopers Regiedebüt als gelungen betrachten. Es ist zeitgemäß inszeniert, ist aber auch wiederum zeitlos. Und auch wenn Lady Gagas Darstellung nicht unbedingt nach einem Oscar® schreit, so ist sie doch solide und glaubhaft, vermutlich weil sie sich so gut wie selbst spielt. Allerdings glaube ich, dass „Shallow“ das Zeug dazu hat, einen Oscar® als bestes Lied zu bekommen. Das geht in Mark und Knochen, auch wenn man sich erst fragt, von welchem Cello sie da singt. Und gleichzeitig könnte Lady Gaga alias Stefani Joanne Angelina Germanotta, wie sie privat heißt, auch einen Preis für das schlechteste Kostüm bekommen: Der Einteiler, den sie zu Besuch bei „Noodles“ trägt, könnte der Berliner BVG-Kollektion entsprungen sein! Aber Spaß beiseite - A Star is born ist ein mitschwingender Musikfilm und mitreißendes Drama, nicht nur für Lady Gaga-Fans. Und am Ende sollten zartbeseitete Gemüter Taschentücher bereithalten... ■ mz
4. Oktober 2018
Drama/Musik
USA 2018
135 min


mit
Bradley Cooper (Jackson Maine)
Lady Gaga (Ally)
Sam Elliott (Bobby Maine)
Dave Chappelle (George „Noodles“ Stone)
Anthony Ramos (Ramon)
Bonnie Somerville (Sally Cummings)
Andrew Dice Clay (Lorenzo)
Rafi Gavron (Rez Gavron)
Ron Rifkin (Carl)
Barry Shabaka Henley (Little Feet)
Greg Grunberg (Chauffeur)
Alec Baldwin
Lukas Nelson
Marlon Williams
Brandi Carlile
u.a.

drehbuch
Bradley Cooper, Eric Roth, Will Fetters
basierend auf dem Drehbuch von William A. Wellman und Robert Carson

musik
Lady Gaga, Bradley Cooper

kamera
Matthew Libatique

regie
Bradley Cooper

produktion
Warner Brothers
Metro-Goldwyn-Mayer
Thunder Road Pictures
Jon Peters/Bill Gerber/Joint Effort
Malpaso Productions
Live Nation Productions

verleih
Warner Brothers


vorspann
Firmenlogos, Titeleinblendung nach erster Szene, während Ally die Zufahrt hinaufgeht und die Arme ausstreckt

abspann
Rücklaufender Vorspann, normal laufender Abspann

erwähnung
In Memory of Elizabeth Kemp