Donnerstag, 28. März 2024
Allied
Vertraute Fremde
Marianne und Max in Casablanca
© Paramount Pictures/Daniel Smith

1942 irgendwo in der Einöde Marokkos: Ein Mann springt mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug und landet elegant im Sand. Es ist Brad Pitt, wie man ihn von früher kennt - glattrasiert und eine Scheitelfrisur mit perfektem Halt. Er spielt den kanadischen Piloten Max Vatan, der im Rahmen eines brisanten Auftrags für die britische Special Operations Executive (SOE) von einem ortsansässigen Agenten nach Casablanca gebracht wird, um dort mit der französischen Widerstandskämpferin Marianne Beauséjour ein Ehepaar zu mimen, um bei einem Empfang den deutschen Botschafter zu töten.

»Cherchez le kolibri!«

Doch ihre Leidenschaft füreinander ist bald mehr als nur gespielt, selbst im Angesicht vernichtender Chancen. Max holt Marianne nach London, ihr Baby wird im Bombenhagel geboren. Ihr Leben scheint sich dennoch zum Besseren zu wenden. Doch dann kommt der Tag, an dem Max die Information erhält, dass seine neue Familienidylle eine kolossale Täuschung sein könnte – was eine verzweifelte Jagd nach der Wahrheit durch ein Labyrinth aus Grenzen und Allianzen auslöst, internationalen wie auch persönlichen.

Es ist Robert Zemeckis’ erster Ausflug in die Gefilde des Zweiten Weltkriegs, und Produzent Patrick McCormick merkt an, dass er in eine andere, eher psychologische Richtung geht als die Schlachten, die dieses Kinogenre bislang ausgezeichnet haben. Letztendlich liegt die Gefahr für Max und Marianne weit hinter der physischen Bedrohung ihrer Missionen und dem Bombenregen über London. Sie müssen sich einer viel tückischeren Gefahr stellen: der versteckten Wahrheit.

»Obwohl der Film vor dem wuchtigen Hintergrund der diversen Fronten des Zweiten Weltkriegs stattfindet, ist Allied eine Geschichte über intime Doppelleben, die auch auf einer menschlichen Ebene unglaublich fesselt«, stellt McCormick fest. »Was das Ganze so aufregend macht, ist, dass die beiden Hauptfiguren Max und Marianne in jeder Szene des Films jederzeit auf zwei verschiedenen Ebenen handeln – auf der sichtbaren und auf der unsichtbaren, und jede dieser Handlungen hallt von unausgesprochenen Geheimnissen wider. Das verleiht sowohl den Thrillerelementen als auch der Liebesgeschichte einen kraftvollen und einzigartigen Subtext, weil sich diese überkochenden Verdächtigungen immer mehr zuspitzen, zur gleichen Zeit, als auch der Krieg auf seinen Höhepunkt zuläuft.«

»Das Drehbuch fühlte sich beeindruckend, gewaltig und romantisch an«, erzählt Robert Zemeckis. »Was ich an meiner Arbeit als Regisseur am meisten liebe, ist, das Publikum emotional zu bewegen – und wenn man eine so kraftvolle Story wie diese vor sich hat, mit derart vielen emotionalen Wendungen und Drehungen, dann hat man unermessliche Möglichkeiten, genau das zu tun. Diese Art Geschichte ist ideal für einen Filmemacher wie mich, weil ich die Zuschauer gern wirklich mitfühlen lasse und dafür sämtliches Handwerkszeug nutze, das mir zur Verfügung steht.«

Sowie er das Drehbuch gelesen hatte, formte sich Zemeckis’ Vision für den Stil des Films. Er sollte nicht nur die Verheerung des Zweiten Weltkriegs einfangen, sondern ebenso das ausgelassene und inbrünstige Leben seiner Beteiligten, die von dem reinen Wunder des Überlebens berauscht waren. Mit dem lebendigen Stil des 21. Jahrhunderts kreiert er den unsicheren, aber glamourösen Glanz des besetzten Casablancas, die karge, windgepeitschte Schönheit der marokkanischen Wüste (mal was Neues: Sex in der Wüste!), die schattenhaften Korridore der SOE in der Baker Street, das Pulverfass des französischen Dieppe, wo ein gescheiterter alliierter Angriff mit der Nazibesetzung und einem verzweifelten französischen Widerstand endete, sowie das erschütterte, aber dennoch couragierte London des Blitzkriegs.

»Ganz besonders gefiel mir, wie das Drehbuch glaubwürdig das Gefühl des vom Krieg gezeichneten Londons wiedergab«, erinnert sich Zemeckis. »London wurde nachts bombardiert, aber trotzdem führten die Menschen dort das normale Großstadtleben. Es wurde sogar zu ihrem Slogan: „Carry on!“. Das war etwas, was ich mit dem Film unbedingt einfangen wollte: eine Welt, in der die Maschinerie des Krieges stetig über einem schwebt – und manchmal auch über einen hereinbricht. Und trotzdem leben die Leute mit dieser gewissen Hemmungslosigkeit, weil ihnen klar ist, dass ihr Leben jederzeit enden könnte.

Sowohl das Verhalten der Menschen als auch das Erscheinungsbild Londons zu dieser Zeit besaß etwas Fatalistisches. Das interessierte mich brennend, und genau das wollte ich mit der Atmosphäre des Films und mit seinem Look wiedergeben. Wir haben hier eine Welt, deren Bewohner in jedem Augenblick der Gefahr ins Gesicht sehen – genau wie Max und Marianne, deren Liebe aus der Gefahr heraus entsteht, der sie selbst dann nicht entkommen können, als sie heiraten.«

»I want to play the piano because I love you.«

„Der Fehler, den Menschen in solchen Situationen begehen, ist, Gefühle zu entwickeln“, wie Marianne es selbst sagt. Und dennoch können beide ihr Verlangen füreinander nicht abstellen. Von Beginn an testen und triezen sich Max und Marianne auf spielerische Weise. Doch aus dem Spiel wird tödlicher Ernst, als Max gezwungen ist, seine geliebte Ehefrau zu decken, um die Antwort auf die undenkbarste Frage zu finden: Könnte sie wirklich eine Verräterin sein? Die Schnelligkeit und die Intensität, mit der Vertrauen und nackte Gefahr zwischen den beiden wechseln und sich über diverse kriegsgebeutelte Länder hinweg entwirren, waren bereits auf dem Papier so sinnlich wie rückhaltlos spannend.

Plötzliche Romanzen wie diese entwickelten sich häufig zwischen Agenten im Zweiten Weltkrieg, die in engstem Kontakt Situationen zwischen Leben und Tod zu meistern hatten, besonders da Männer und Frauen sich oft zur Tarnung als Paare ausgaben. Doch es gab eine der Abschreckung dienende Regelung – die sogenannte „Intimbetrugsregel“, die über ihnen allen schwebte: Sollten zwei Agenten heiraten und einer herausfinden, dass sein Partner Geheimnisse an die andere Seite weitergab, wurde von diesem Agenten erwartet, dass er seinen Partner in einem Akt emotionaler Selbstaufgabe ohne Umschweife exekutiert - andererseits musste er sich dem Erhängen wegen Hochverrats stellen.

Während des ersten Drittels zieht der Film seine Spannung aus dem Ambiente und dem gemeinsamen Auftrag, den Botschafter zu töten. Die deutsche Gründlichkeit, ganz speziell die der skrupellosen nazideutschen Offiziere, bekommen auch Max und Marianne zu spüren, als sie im pompös großen Büro des Sicherheitsoffiziers Hobar vorstellig werden. August Diehl spielt diesen hinterhältig freundlichen Offizier, der Max auf eine Probe stellt. Da zeigt sich wieder, dass man in solchen Situationen nicht nur Identitäten sondern auch die Hintergrundinformationen dieser Figuren auswendig lernen muss - in diesem Fall das Wiedergeben einer chemischen Formel.

Im Mittelteil des Films dümpelt die Geschichte vor sich hin, wenn auch im Hintergrund der Krieg tobt, der das Publikum mitreißt. Man fragt sich, worauf der Film hinaus will. Dabei werden die Nebenfiguren, Max' Geheimdienstkollegen und seine lesbische Schwester (irgendsowas musste ja quotenmäßig vorkommen), gespielt von Lizzy Caplan, vorgestellt. Doch der Hauptaugenmerk bleibt bei Max und Marianne. Ein wenig mehr Tiefe bekommt der von Jared Harris gespielte Vorgesetzte von Max, Frank Heslop, dessen innerer Zwiespalt besonders am Ende zur Geltung kommt.

Robert Zemeckis' Kriegsromanze bekommt schließlich im letzten Drittel noch eine tragische Wendung: Ist Marianne wirklich die, die sie vorgibt zu sein? Während die Zuschauer mit Brad Pitts Max mitfiebern, wird einem dann doch klar, wohin der Film uns führt. Trotz alldem ist der Film vor allem wegen seiner Hauptdarsteller, den genialen visuellen Effekten und der emotionalen musikalischen Umsetzung von Zemeckis' Lieblingskomponisten Alan Silvestri sehenswert. Und wenn am Ende dann die Kamera Marion Cotillard noch einmal einfängt, fließt das eine oder andere Tränchen - aber immerhin: Das Makeup sitzt! ■ mz

19. Dezember 2016

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