Kinostarts Dezember 2015
„Ich bin dann mal weg“ erzählt vom Suchen und Ankommen – manchmal schreiend komisch, aber auch bewegend und emotional. Nach einem Hörsturz, einer Gallenblasen-Operation und einem eingebildeten Herzinfarkt wird dem Entertainer Hape unmissverständlich klar, dass es so nicht weitergeht. Er nimmt sich ein halbes Jahr Auszeit und wandert auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela – auf der Suche nach... ja, nach was eigentlich? Nach Gott? Der Wahrheit? Sich selbst?
2006 erschien das Pilgertagebuch von Hape Kerkeling und verkaufte sich wie geschnittenes Brot. Ob als Taschenbuch oder als vom Unterhalter selbst vorgelesenem Audiobuch - jeder, der unterwegs war, las oder hörte das Buch, Pilgern wurde salonfähig und der Titel zum geflügelten Wort. Jetzt hat die junge Regisseurin Julia von Heinz dieses Tagebuch verfilmt. Ist der Film es aber wert, dass man zu ihm ins Kino pilgert?
»Nichts befürchten, nichts erwarten - ist das der Schlüssel zum Glück?«
Das ist zumindest der Schlüssel zum Glück, wenn man sich einen Film ansieht. Trailer sind meist auf die Erwartungen vom Verleih zugeschnitten und entsprechen selten dem Endprodukt. Daher gilt hier wie auch bei jedem anderen Film: Der Weg ist das Ziel - einfach hingehen und selbst sehen, was fabriziert wurde. Und vielleicht, so wie in diesem Fall, bekommt man auch etwas zurück für das an der Kasse abgegebene Geld.
Hape Kerkeling hat sich ja mittlerweile aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen. Seine letzten größeren Auftritte lieferte er 2009 als sein alter ego Horst Schlämmer bzw. Uschi Blum ab. Seitdem war es ruhig geworden um den komödiantischen Unterhalter, der lediglich in einer Traumschifffolge auftauchte und bei seiner Geburtstagsdoku im vorigen Jahr mitmischte. Da er sich selbst kaum in den Film einbrachte, war es natürlich schwer, jemanden in seinem Alter zu finden, der so ähnlich aussieht und diese Rolle auch stemmen kann.
Aus 20 Schauspielern, die für die Rolle vorgesprochen hatten, entschied sich die Regisseurin schließlich für Devid Striesow, der sie in allen Hape-Facetten überzeugen konnte. Und er mag die einzig wahre Wahl gewesen sein, denn er schafft es, dass man spätestens in der Filmmitte den echten Hape im Ohr hat. Gerade zu Beginn des Films mag der/die Zuschauende noch daran zweifeln - Striesow selbst womöglich auch. Daher wirkt er dort auch bis auf der Statur so gar nicht wie der Komiker ohne Pardon. Doch je mehr der Film voranschreitet, verinnerlicht nicht nur Devid Striesow die Rolle, denn der/die Zuschauende akzeptiert ihn schließlich auch in darin.
Die Zuspieler: Als Hapes Agentin Dörte (Annette Frier rothaarig kurz kaum wiederzuerkennen) ihn fragt, ob er denn an Gott glaube, beginnt der Film mit seinen Rückblenden in Hapes Kindheit. Man bekommt eine, von Katharina Thalbach gespielte, umwerfend klassische Omma Bertha serviert und bekommt die Anfänge der Showkarriere des kleinen Hans Peter aufgezeigt - zusammen mit seinem besten Freund Achim [Hagemann], der ihn bei seinen Bühnenauftritten stets am Klavier begleitete.
Und dann sind da natürlich seine Wegbegleiterinnen auf dem Jacobsweg - Stella, die den Weg schon oft begonnen jedoch nie am Ziel beendet hat, und die nicht auf den Mund gefallene Reporterin Lena - beide hervorragend gespielt von Martina Gedeck und Karoline Schuch. Beide wollen ihren Weg lieber allein bestreiten und wissen gar nicht, wem sie da eine Abfuhr erteilen - ganz im Gegenteil eines deutschen Ehepaars, das ihm in altbekannt-klassischer Erkennungsmanier nachstellt, bis sie ihn schließlich wirklich erkennen und ihre Autogramme bekommen.
Ich bin dann mal weg ist nicht nur ein hervorragend fotografierter Film über den leidigen 782 Kilometer langen Weg zur Selbstfindung, der immer wieder von den Protagonisten in Frage gestellt wird, sondern zeigt auch auf, dass man ihn nicht immer allein gehen muss, um ans Ziel zu gelangen. Zu Beginn der Reise fängt die Kamera einen Vogel ein, der über Hape kreist. Erst als Hape Lena eines Tages vor zwei Aufreißern errettet und gesteht, dass er schwul sei, wird das Verhältnis der beiden deutlich herzlicher – sie übernachten sogar im selben Zimmer!/
Schließlich finden sie Stella, die sich bei einem schweren Sturz verletzt hat. Nach ihrer Versorgung beim Arzt mietet Hape ein Ferienhaus, in dem die drei sich ausruhen, unbeschwerte Stunden verbringen und ihre Freundschaft feiern. Laut Hape ist das Leben „wie ein Kinofilm: Der Film läuft, aber die Vorführung ist beschissen. Kaum jemand ahnt, wie toll der Film ist. Das merkt man erst hier auf dem Jakobsweg.“ Und als die Drei endlich, begleitet von drei über ihnen kreisenden Vögeln, vor der Kathedrale in Santiago stehen, haben sie alle verstanden: „Der Weg nimmt dir alle Kraft – und gibt sie dreifach zurück.“
Erkenntnis des Tages: Mit leichtem Ton und emotionaler Intensität wird hier eine spirituelle Abenteuerreise gezeichnet, die lange nachklingt. Es ist kein gängiger Hape-Film, geschweige denn „deutsche Komödie“, sondern vielmehr eine sehr gelungene, audiovisuelle Adaption des Tagebuchs, die Spaß macht und gleichzeitig zum Nachdenken anregt. Der Film ersetzt zwar nicht die Komplexität des Buches, überträgt es jedoch gekonnt in seiner Essenz und Stimmung in gekürzter Form. ■ mz