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Irrational Man
Ein an Schreibblockade und Impotenz leidender Philosophieprofessor baut nach einer Neuanstellung in einem College eine Verbindung mit einer Studentin auf. Als sie Zeuge werden, wie eine Frau sich an einem Nebentisch beklagt, dass ein Richter ihr aus niederen Gründen das Sorgerecht für ihre Kinder absprechen will, erwachen bei dem Professor längst verloren geglaubte Lebensgeister. Er plant, den Richter zu töten - ein zweifellos perfektes Verbrechen, weil es keinerlei Verbindung zum Opfer gibt.
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In seiner Laufbahn hat Woody Allen seine Faszination von der Philosophie immer wieder ausgedrückt - auf die Schippe genommen in komödiantischen Essays wie „My Philosophy“, „Death knocks“ oder „God“ oder in Filmen wie Die letzte Nacht des Boris Gruschenko, oder sich den philosophischen Fragen in ernsthafteren Filmen wie Verbrechen und andere Kleinigkeiten oder Match Point gewidmet.

»Seit ich ein kleiner Junge war, fühlte ich mich zu dem hingezogen, was die Leute immer als „große Fragen“ bezeichnen, aus welchem Grund auch immer«, sagt Woody Allen. »In meinen Arbeiten sind sie zu Gegenständen geworden, mit denen ich herumalbere, wenn es eine Komödie ist, oder mich auf herausfordernderer Weise mit beschäftige, wenn es ein Drama ist.«

Allen war schon als Teenager an den Filmen von Ingmar Bergman interessiert, der sich in seinen Werken mit philosophischen Themen von Nietzsche oder Kierkegaard beschäftigte, von denen Allen damals noch nichts gehört hatte. Erst als er über die Jahre hinweg eine Menge an philosophischen Werken gelesen hatte, begann er zu verstehen, welche Fragen Bergman in seinen Filmen dramatisierte, und freut sich immer wieder, wie sich die Philosophen gegenseitig herausfordern und ihre unterschiedlichen Ansätze, die unlösbaren Fragen zu beantworten, gegenseitig widerlegen.

„So much of philosophy is just verbal masturbation.“ - Abe Lucas

Abes Ruf als kontroverser Denker mit einem tragischen Leben eilt ihm zuvor, als er ans Braylin College an der Ostküste kommt, um dort ein Sommerseminar abzuhalten, wo einerseits in der Fakultät über ihn getratscht wird, andererseits die Studenten Großes von ihm erwarten. Dabei wird der unglückliche Professor, der trotz Hilfestellung in Unglücksgebieten vom Leben gebeutelt wurde und inzwischen an nichts mehr glaubt (außer an die Wirkung von Alkohol), gleich von zwei Frauen umgarnt.

Zum Einen ist da Rita Richards, die unglücklich verheiratete Wissenschaftsprofessorin, die sich an den weltgewandten Neuzugang heranschmeißt, damit er sie in ein neues Leben entführt, das nicht mehr so deprimierend langweilig ist. »Letztlich hat Abe dann doch nicht mehr Potenzial als ihr Ehemann«, sagt Parker Posey. »Er kann nicht abliefern und fühlt sich schlecht dabei. Er wirkt distanziert, aber in Wirklichkeit ist er verwirrt und verloren - er ist nicht ganz da.«

Zum Anderen umschwärmt die junge Jill Pollard, dessen Eltern ebenfalls an dem College unterrichten, den miesepetrigen Neuzugang. »Jill ist das saubere Mädchen, das immer auf einem geraden Pfad unterwegs war, wohin auch immer«, sagt Emma Stone über ihre Rolle. »Sie ist ihr ganzes Leben in dieser Kleinstadt gewesen. Daher zieht sie etwas zum Philosophie-Kurs, von dem sie hofft, das er ihren Weltblick erweitert. Und Abe, dieser gequälte, poetische Künstler, ist das fleischgewordene Pendant zu all dem, was sie in ihrem Leben entdecken wollte, was sie jedoch bislang selbst nicht auf die Reihe brachte.«

»Abe ist ein einsamer Typ, der in Jill jemanden sieht, mit dem er reden kann«, sagt Allen. »Er denkt von ihr nicht im romantischen Sinne, er hat jedoch eine ernsthafte intelligente Verbindung zu Jill, die immer stärker wird, bis sie zu der Person wird, mit der er die meiste Zeit verbringt.«

Das kommt Jills Freund Roy überhaupt nicht recht. Dieser versucht, mit Abe Schritt zu halten, kann jedoch immer weniger zu Jill durchdringen. Trotzdem sie ihm versichert, dass sie ihm treu bleibt, spricht sie am laufenden Band nur noch von Abe. »Ständig«, sagt Jamie Blackley, der Roy spielt. »Den ganzen Tag heißt es „Abe tat Dies, Abe sagte Jenes oder Abe hat eine faszinierende Idee.“« Emma Stone dazu: »Sobald Jill Abe sieht, beginnt Roy, ein wenig wie griechischer Joghurt auszusehen - gut für dich, aber nicht unbedingt aufregend. Und Abe ist wie die giftige Früchtegarnierung auf dem griechischen Joghurt.«

Dass etwas in Abe ernsthaft falsch läuft, merkt Jill eines Abends, als dieser beim geselligen Gelage den Unwissenden mit einem geladenen Revolver demonstriert, was Russisches Roulette ist, und mehrfach gegen seine Schläfe abdrückt. Doch trotzdem Jill vor Angst versteinert ist, findet sie einen Weg, diese rücksichtslose Aktion in ihrem Gehirn zu rechtfertigen.

»Abe verwandelt alles in eine Philosophielektion«, sagt Stone. »Und Jill ist eine wissbegierige Studentin dieser Lektionen, denn sie versucht, genauso ein radikaler Denker zu sein, wie er. So verängstigt sie auch ist, befindet sie sich in einer Blase, in all diesen Situationen, die sich vor ihr entfalten, das Beste zu sehen.« Und sie besitzt auch diese romantische Vorstellung, dass sie diejenige ist, Abe aus diesem Loch zu befreien, in dem er sich befindet.

Als sie dann eines Tages in einem Diner eine heftige Diskussion am Nachbartisch belauschen, sieht Abe seine Stunde gekommen, endlich etwas bewirken zu können. Er hat sich eine Aufgabe gestellt, die seinem Leben wieder einen Sinn gibt, wodurch er sich schlagartig vom ziellosen Häufchen Elend zum überschwänglichen Energiebündel verwandelt. »Er bekommt plötzlich wieder eine Wertschätzung für's Leben«, sagt Allen. »Er erfreut sich wieder am Geschmack von Wein und Sex, frühstückt wieder herzhaft und bekommt Schlaf.«

»Abe ist es wieder möglich, das Leben wieder zu umarmen, denn er hat endlich ein klares Ziel vor Augen, an das er glaubt«, sagt Joaquin Phoenix. »Das ist genau das, wonach er gesucht hat, ohne zu wissen, dass er es gesucht hat. Er denkt nicht nur, dass er etwas Positives bewirkt, er stürzt sich auch in ein Abenteuer, seinen Plan in die Tat umzusetzen.«

Ohne den wahren Grund für Abes Veränderung zu wissen, glaubt Jill nun fest daran, ihn errettet zu haben. Die Wahrheit ist jedoch recht irrational und in Abes verschrobenem Weltblick vernünftig. Doch einen befangenen Richter zu ermorden, damit eine Mutter in einem Streitfall ihr Sorgerecht bekommt, ist bei weitem keine vernünftige Lösung, wenn auch eine Lösung.

Damit verwandelt sich Woody Allens Liebesdreieck in eine Kriminalgeschichte, die sich die Idee von Alfred Hitchcocks Der Fremde im Zug ausleiht, das perfekte Verbrechen zu begehen. Aber wie das Leben so spielt, kommt die Wahrheit irgendwann irgendwie ans Licht, und die Moral von der Geschicht': Verbrechen lohnt sich nicht, auch wenn es aus guten Gründen verübt wird.

Wie schon so oft zeigt Woody Allen auch in dieser Geschichte das Zusammenwirken von Zufall und Schicksal auf. Dafür schraubte er diesmal die zynischen Neurosen in den Dialogen auf ein Minimum zurück, weshalb der Film auch recht ansehbar ist. Das Ende ist zwar nachvollziehbar, doch hätte man sich ein anderes gewünscht. Es wirkt zwar plausibel, hinterlässt jedoch eine gewisse Leere, nachdem die Geschichte so aufwändig aufgebaut wurde. Dennoch ist Allens Werk für 2015 wie immer ein kleines Leinwand-Schmankerl, das man gern über sich ergehen lässt. ■ mz

Komödie/Drama/Krimi
USA 2015
95 min


mit
Joaquin Phoenix (Abe Lucas) Tobias Kluckert
Emma Stone (Jill Pollard) Anja Stadlober
Parker Posey (Rita Richards) Vera Teltz
Jamie Blackley (Roy) Ricardo Richter
Ethan Phillips (Jills Vater) Tobias Lelle
Betsy Aidem (Jills Mutter) Andrea Aust
Robert Petkoff (Paul) Axel Malzacher
Meredith Hagner (Sandy) Christin Quander
Tom Kemp (Richter Spangler)
u.a.

drehbuch
Woody Allen

kamera
Darius Khondji

regie
Woody Allen

produktion
Gravier Productions

verleih
Warner Brothers

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