Kinostarts September 2015
Unberechenbare Gefahren, unglaubliche Anstrengungen, jahrelanges Training für unkalkulierbare Herausforderungen, unvorstellbare, menschenfeindliche Bedingungen. Und trotzdem, seit fast einem Jahrhundert versuchen Abenteurer auf dem ganzen Globus eine tiefere Bedeutung in ihrem Leben zu finden, in dem sie versuchen, den höchsten (und gefährlichsten Punkt) der Erde zu erklimmen: Den Mount Everest.
Vielleicht sind sie vom Pioniergeist der Bergsteigerlegenden Tenzing Norgay und Sir Edmund Hillary inspiriert. Möglicherweise wollen sie sich der übermächtigen Mutter Natur stellen. Aber egal ob ihre Motivation eine spirituelle oder von Adrenalin angetriebene ist, niemand kann leugnen, dass die wahre Persönlichkeit zum Vorschein kommt, wenn Ehrgeiz, menschliche Zerbrechlichkeit und ein furchterregender Sturm an der Spitze der Welt aufeinandertreffen.
Inspiriert von den unglaublichen Ereignissen eines Besteigungsversuch von 1996 dokumentiert Everest die beeindruckende Reise zweier Expeditionsteams, die von einem der schlimmsten Schneestürme aller Zeiten weit über ihr Limit hinaus gefordert wurden. Beim Bewältigen der Strapazen werden Freundschaften geknüpft und diese von den härtesten Elementen auf dem Planeten getestet – als die Bergsteiger fast unüberwindbare Hindernisse überwinden müssen und als ihre lebenslange Obsession sich in einen monumentalen Überlebenskampf verwandelt.
Regisseur Baltasar Kormákur erklärt, was ihn an dem Stoff gereizt hatte: »Landschaften und Wetter machen mindestens die Hälfte von mir aus. In Island ist die Natur nie weit weg. Regelmäßig brechen Vulkane aus und Lawinen zerstören ganze Dörfer und erinnern einen daran, dass Mutter Natur mächtig ist. Ich bin auf dem Rücken von Pferden wochenlang durch die Berge Islands geritten, weit und breit keine Zivilisation vor Augen, und ich wollte schon immer eine Geschichte von Menschen erzählen, die sich den Extremen der Natur ausgesetzt sahen und wie das ihren Charakter auf eine subtile Art und Weise enthüllt hat, wie sie mehr und mehr über sich selbst herausgefunden haben, je tiefer sie hineingerieten.
Meiner Erfahrung nach kann man seine Freunde nie besser kennenlernen als unter solchen Bedingungen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind, besonders, wenn es hart auf hart kommt. Also war das Angebot, eine einzigartige Geschichte zu erzählen, die sich auf dem höchsten Berg der Welt abspielte, eine Gelegenheit, die man nur einmal im Leben bekommt, und ich hätte sie mir nicht entgehen lassen können.«
Kormákur hat sich im amerikanischen Straßenfeger-Kino mit Filmen wie Contraband oder 2 Guns etabliert, um solch ein Projekt stemmen zu können. Zwischendurch drehte er The Deep, der auf eine unheimliche Weise die tragische und wahre Geschichte eines Überlebenden eines gekenterten Fischerbootes vor der eiskalten isländischen Küste erzählt. Der Film wurde 2012 als isländischer Beitrag für die Academy Awards® ausgewählt und zeigt das Talent des Regisseurs, die härtesten Umweltbedingungen einfangen zu können.
Guy Cotter, der im Film von Sam Worthington verkörpert wird, half als Key Alpine Advisor bei den Dreharbeiten, um der Authentizität der Geschichte (zumindest aus seiner Sicht und seinen Erfahrungen) beizutragen. Doch auch das kann dieser Mammutproduktion nicht mehr Spannung zutragen, wie man sie von fiktiven alpinen Thrillern gewohnt ist. Der Film ist vielmehr eine gespielte Dokumentation der damaligen Ereignisse, dessen Dramatik erst nach der Hälfte des Films zu Tage kommt. Die erste Hälfte wurde der Charakterisierung der Figuren gewidmet, was zwar notwendig ist, doch nur wenig Spielraum zulässt, da es sich um echte Personen handelt.
Wie schon bei Kormákurs vorangegangenen Hollywood-Produktionen stehen auch diesmal wieder namhafte Schauspieler/innen auf der Besetzungsliste, die allerdings nicht viel Spielraum besitzen. Der Film ist zwar beeindruckend inszeniert, kann jedoch in Sachen Dramaturgie nicht so recht überzeugen. Trotz der langen Einführung der Figuren, verschwinden diese im Schneegestöber des Films. Bei diesem Film kann man sich ans klassische Bergsteigermotto halten: Warum sollte man sich den Film ansehen? Ganz einfach: weil er da ist. Und das in großartigem 3D und IMAX®! Das beste Erlebnis bei diesem Film würde sich aber wohl erst entfalten, wenn man ihn im zugeschneiten Freiluftkino ansieht. ■ mz