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Interview mit Mathieu Amalric


� Arsenal
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Das blaue Zimmer

Mathieu Amalric wurde am 25. Oktober 1965 geboren und lebt in Paris. Dank Otar Losseliani entdeckte er das Kino. Er hat als Regieassistent, Schnittassistent und Regisseur f�r Louis Malle, Dani�le Dubroux, Peter Handke, Alain Tanner, J.C. Monteiro oder Romain Goupil gearbeitet, und drehte dabei eigene Kurzfilme. 1991 lernte er Arnaud Desplechin beim Angers Premier Plans Filmfestival kennen, der ihn zum Schauspielern einlud. Seitdem macht er beides...

War die Schwere oder die innewohnende Langsamkeit des Stoffes Ihrer Stendhal-Adaption von �Schwarz und Rot� der Ausl�ser f�r den schnellen Dreh von Das blaue Zimmer?

Nein, das lag einfach daran, dass ich beim Dreh von Venus im Pelz von Roman Polanski Paulo Branco auf der Stra�e getroffen habe. Branco sp�rte, wie ein Wahrsager, dass ich f�r Stendhal Jahrhunderte brauchen w�rde. Das ber�hrt einen sehr, wenn jemand zu einem sagt: �Mach was, dreh einfach! Willst Du nicht einfach etwas in drei Wochen erz�hlen?� Zuhause suchte ich nach einem St�ck, und da war's. Wir haben alle ein Buch von Simenon, das wir mal in jemandes Ferienhaus gelesen haben. Ich wei� nicht mehr, von wem ich es habe, von wem ich es geklaut habe. Das Buch hatte ich bereits f�r Tourn�e. Im Drehbuch hatten wir die letzte Szene �Im blauen Zimmer� genannt und da waren: Ein Mann und eine Frau in einem Hotelzimmer, nach dem Liebemachen. Was bleibt im Leben letztendlich au�er zwei K�rper, die voneinander angezogen sind?

Es ist �berraschend, dass Das blaue Zimmer auf Tourn�e folgt. Es h�tte h�tte auch ein Film sein k�nnen, der das Gegenteil des quasi dionysischen Films Tourn�e w�re, der das Loslassen und die Bewegung r�hmt.

Daran habe ich �berhaupt nicht gedacht. Es ging eher um den Roman, der mich schon seit langem verfolgte, von Simenon, der voller Tempo schrieb. Das lud mich dazu ein, selbst schnell zu drehen. Was mir auch gefiel, war die Vermischung von hei� und kalt, und was M�nner verr�ckt macht: eine undurchschaubare Frau. �Ich hielt sie irrt�mlich f�r eine kalte, hochm�tig Frau, f�r eine Statue.� Da �ffnen sich die Abgr�nde der Sexualit�t und der Anziehung, die unaussprechlich sind. Das ist das Faszinierende an Simenon, dass er dazu gezwungen war, alles in Worte zu fassen.

Als Simenon den Roman 1963 im schweizerischen Epalinges schrieb, war er in einer Phase der permanenten Selbstzerfleischung nach dem Motto �Frauen sind alle Hexen, ich h�tte das nicht tun sollen.� Es ist ein Roman, der Sexualit�t bestraft � oder seine eigene �berbordende Sexualit�t. Und das versuchte ich mit St�phanie Cl�au, mit der ich den Roman adaptierte, auszuradieren. Daneben gab es das einfache Vergn�gen am �Whodunit�, wer t�tete wen? Wer ist tot? Und von da aus r�ckw�rts zu gehen.

Genau diese komplexe Erz�hlstruktur, die wie ein Mosaik erscheint, tr�gt wohl nicht dazu bei, den Film in einer kurzen Zeit zu machen, besonders beim Schnitt.

Bereits als wir das Drehbuch mit zwei Spalten schrieben, wollten wir, dass Ton und Bild im Krieg miteinander stehen, was zu einer besonderen Erz�hlform f�hrt. Deshalb schaffte ich es, die meistm�gliche Zeit f�rs Schneiden zu haben. Da wir in zwei Teilen im Juli und November drehten, erm�glichte der Zeitplan, dass wir dazwischen mit dem Schneiden anfangen konnten. Vor allem mussten wir im Vorfeld arbeiten, mit einer guten Vorbereitung. Dabei war die Ermittlungsakte eine gro�e Hilfe, wir habe eine echte Akte erstellt, die wir mithilfe von forensischen Wissenschaftlern aktualisierten, im Vergleich zu dem was 1963 m�glich war.

Wann entschieden Sie sich f�r das 1:1,33 Format - ein Format, das die Amerikaner das klassische Seitenverh�ltnis nennen, das in Vergangenheit geraten war, bevor es Gus van Sant mit Elephant und Wes Anderson mit The Grand Budapest Hotel wiederbelebten?

Das war sehr fr�h. Im blauen Zimmer geht es um einsame und verhinderte Charaktere. Ich wusste, dass es keine Kamerabewegungen geben w�rde, die sie miteinander verbinden k�nnte. Sogar in den Liebesszenen, wo wir uns eher Erinnerungen hingeben als uns auf sinnliche Erlebnisse einzulassen. Da gibt es weder Sinnliches noch Z�rtlichkeit, das l�sst keine Virtuosit�t zu. Die Rundumblicke sind nicht angebracht, wenn die Atmosph�re so frostig ist.

Nicht jeder benutzt es zu diesem Zweck, aber hier dient das 1:1,33 Format dem Ausdruck der Isolation, des Gefangenseins.

Mit Christophe Beaucarne, dem Kameramann, fragten wir uns nach einigen Tests, ob wie Cinemascope oder 1:1,33 nutzen sollten. Schnell landeten wir bei letzterem. Christophe fand, dass es das Auge reinigt. Wir leben in einer Zeit, in der alles gestreckt wird, wir m�ssen uns nur die Gr��e der Postkarten angucken, die jetzt verkauft werden. Deshalb wollten wir die gegens�tzliche Perspektive. Au�erdem schien Cinemascope nicht der Beziehung zu entsprechen.

Wussten Sie beim gemeinsamen Schreiben mit St�phanie Cl�au schon, dass die Rollen von Esther und Julien von Ihnen beiden verk�rpert werden w�rden?

St�phanie hat viele Romane f�rs Theater umgeschrieben, sie ist �berhaupt keine Schauspielerin, sie ist sogar das Gegenteil einer Schauspielerin � bereits wenn sie fotografiert wird, ist das f�r sie eine Qual. Und das interessierte mich. Diese Frau, von der wir nicht wissen, wer sie ist, sie verk�rpert die Bedrohung durch das Unbekannte. Da ich Julien selbst darstellte, sollte die offizielle Ehefrau ebenfalls eine offizielle Schauspielerin sein. Wenn die Geliebte ebenfalls ein bekanntes Gesicht w�re, w�rde das, wie immer, eine Rivalit�t zwischen den beiden Schauspielerinnen hervorrufen, die ich nicht wollte.

Und es gab dieses Spiel zwischen uns als Paar: Wir spielen Geliebte w�hrend wir seit neun Jahren zusammenleben � das hat wieder etwas mit dem Unaussprechlichen zu tun. ■ mz | Quelle: Arsenal

Drama/Krimi
F 2014
75 min


mit
Mathieu Amalric (Julien Gahyde)
L�a Drucker (Delphine Gahyde)
St�phanie Cl�au (Esther Despierre)
Mona Jaffart (Suzanne Gahyde)
Laurent Poitrenaux (Untersuchungsrichter)
Serge Bozon (Gendarme)
Blutch (Psychologe)
u.a.

drehbuch
St�phanie Cl�au
Mathieu Amalric
nach dem Roman von Georges Simenon

musik
Gr�goire Hetzel

kamera
Christophe Beaucarne

regie
Mathieu Amalric

verleih
Arsenal
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