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Birdman
oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit
In dieser existenziellen Komödie erhofft sich Riggan Thomson durch seine Inszenierung eines ambitionierten neuen Theaterstücks am Broadway, neben anderen Dingen, vor allem eine Wiederbelebung seiner dahinsiechenden Karriere. Zwar handelt es sich um ein ausgesprochen tollkühnes Unterfangen, doch der frühere Kino-Superheld hegt größte Hoffnungen, dass dieses kreative Wagnis ihn als Künstler legitimiert und jedermann, auch ihm selbst, beweist, dass er kein abgehalfterter Hollywoodstar ist.
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In Riggans gequältem Ego ist die Linie zwischen Realität und Illusion papierdünn, manchmal überhaupt nicht vorhanden. Der Schatten von Birdman, seines ständigen, nörgelnden Begleiters, ist stets da, ob es Riggan nun gefällt oder nicht. »Er bricht zu einem Selbstbestätigungstrip auf. Es ist eine Ich-Reise, ein Ego-Trip. Und als er gegen seine Mittelmäßigkeit kämpft, wiederholt sein Ego, treuer Freund und Quälgeist zugleich, die Verhaltensmuster, die Riggan gerne hinter sich lassen möchte. Es konfrontiert ihn mit seinen vielen Beschränkungen und seinen wahnhaften Zügen. Dieser Prozess hat gleichzeitig etwas tragisches, komisches, reales und auch etwas sehr surreales an sich«, erklärt Regisseur Alejandro González Iñárritu.

»Birdman ist Riggans Super-Ego, und aus Birdmans Sicht hat Riggan seinen Verstand verloren, wenn er dieses Stück, das sich zweifellos jenseits seiner Liga befindet, inszeniert. Aus Riggans Sicht ist es Birdman, der seinen Verstand verloren hat. Doch aus einer überzeitlichen Perspektive ist beides bedeutungslos.«

Wie in allen von Iñárritus Filmen wirft er auch in Birdman mittels der Figuren rund um Riggan im Zentrum einen tiefenscharfen Blick auf die menschliche Existenz - ein virtuoser Hochseilakt zwischen Komödie und Pathos, Illusion und Wirklichkeit, der viele Interpretationen zulässt. Ist der Birdman, der mit seiner tiefen, durchdringlichen Stimme nur in seiner Einbildung oder ist er real? Ist es seine Psyche, die ihm und dem Zuschauer Streiche spielt, oder ist es diese übernatürliche Entität?

Wenn Riggans Super-Ego Birdman übernimmt und ihn durch die Straßen New Yorks fliegen lässt, bekommt man als Zuschauer eine plausible Erklärung hinterher geschoben, wodurch man sich nun sicher ist: Das war alles nur seine Einbildung. Zum Schluss, wenn Riggan erkennt, dass er Birdman nicht loswerden kann, weil er ein Teil von ihm ist, und seine Tochter lächelnd aus dem Krankenhausfenster nach oben sieht, wird jedoch diese Erklärung vernichtet, wodurch der ganze Film zu einer inneren Metapher Riggans wird.

Neben der schauspielerischen Glanzleistung Michael Keatons sowie auch Edward Nortons sollte auf jeden Fall Kameramann Emmanuel Lubezki (2014 Oscar® für Gravity) eine Auszeichnung bekommen, ebenso wie die für den Filmschnitt veranwortlichen Douglas Crise und Stephen Mirrione, die den ganzen Film so aussehen lassen, als wäre er in nur einer einzigen Einstellung gedreht worden, was jedoch spätestens nach einem zeitlichen Szenenwechsel auffällt. Das ist ganz große Kunst!

Interessant ist auch das kurzzeitige Vorbeischlendern am Schlagzeuger Antonio Sanchez, der für die vertrommelte Freestyle-Jazz-Filmmusik verantwortlich zeichnet. Einerseits passt diese Art von Musik sehr gut zum Ambiente wie auch zur Untermahlung der inneren Unruhe Riggans, doch ist das nicht Jedermanns Sache, wodurch man am Ende Kopfschmerztabletten bereit halten sollte - für den Fall.

Das Stück, das Riggan am historischen St. James Theater aufführen will, basiert auf Raymond Carvers Kurzgeschichte „What we talk about when we talk about Love“. Und natürlich ist die wechselhafte Suche nach Liebe und Anerkennung auch der rote Faden, der sich durch Birdman zieht.

»Von Kind an war ich ein großer Fan von Raymond Carver, und seine Kurzgeschichte ist ein Klassiker«, erzählt der Regisseur. »Ich wählte sie für Birdman deshalb aus, weil es tatsächlich eine sehr vermessene Idee war. Ich versuche immer so zu denken wie der Filmcharakter – und für jemanden wie Riggan, der nicht zum Theater gehört, ist die Aufführung eines Stück nach einer Kurzgeschichte von Raymond Carver ein extrem anspruchsvolles, fast absurdes Unterfangen.

Ich brauchte also ein Stück, das aufgeführt werden sollte, und entdeckte diese unglaubliche Übereinstimmung zwischen der Thematik dieser Kurzgeschichte und Riggan, der geliebt werden will, und herauszufinden versucht, wo diese Liebe herkommt. Ich wollte damit spielen, dass er Elemente des Stücks auf sein eigenes New Yorker Leben zu projizieren versucht. Und nach und nach wird er zu diesem Charakter, den er spielt, zu diesem verzweifelten Typ, der in ein Motelzimmer kommt und geliebt werden will. Ich war so glücklich, dass Tess Gallagher, die Witwe von Raymond Carver, mir ihr Vertrauen schenkte und so großzügig die Rechte für die Story überließ. Ich bin darüber sehr dankbar.« ■ mz

Birdman or (The unexpected Virtue of Ignorance)
Drama/Komödie
USA 2014
120 min

mit
Michael Keaton (Riggan Thomson) Joachim Tennstedt
Edward Norton (Mike Shiner) Andreas Fröhlich
Emma Stone (Sam Thomson) Anja Stadlober
Naomi Watts (Lesley) Claudia Lössl
Zach Galifianakis (Brandon) Michael Iwannek
Merritt Wever (Annie) Friederike Walke
Natalie Gold (Clara) Elisabeth Günther
Damian Young (Gabriel) Oliver Siebeck
Andrea Riseborough (Laura) Anna Grisebach
Jeremy Shamos (Ralph) Matthias Weidenhöfer
Amy Ryan (Sylvia) Sabine Falkenberg
Lindsay Duncan (Tabitha) Katharina Lopinski
u.a.

drehbuch
Alejandro González Iñárritu
Nicolás Giacobone
Alexander Dinelaris jr.
Armando Bo

musik
Antonio Sanchez

kamera
Emmanuel Lubezki

regie
Alejandro González Iñárritu

produktion
New Regency
M Productions
Le Gribsi
TSG Entertainment
Worldview Entertainment

verleih
20th Century Fox

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