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Ein Schotte macht noch keinen Sommer


Lottie, Mickey und Jess nehmen Abschied.
© Tobis/Origin Pictures (What We Did Prod) Ltd./Neil Davidson

Da hat sich Tobis mal wieder einen tollen deutschen Titel ausgedacht, oder hat vielmehr der Titelgenerator ausgespuckt. Der Originaltitel, übersetzt „Was wir in unseren Ferien gemacht haben“ bezieht sich auf ein beliebtes schulisches Aufsatzthema, in dem Kinder darüber schreiben, was sie so die Ferien über erlebt haben. Und genau darum geht es auch - eine abgefahrene Abenteuergeschichte über den 75. Geburtstag des Opas, dessen Ableben und der Umgang der Kinder damit.

Opa Gordie, liebenswert kauzig und eigensinnig, gespielt von Folkmusiker, Komiker und Ausnahmeschauspieler Billy Connolly (Der blutige Pfad Gottes, Last Samurai), scheint ein recht wohlhabendes Erbe zu hinterlassen, denn seine Familie besitzt ein Anwesen irgendwo in den schottischen Highlands und hat etwa 200 Gäste zum 75. Geburtstag eingeladen, u.a. Sohn Doug und seine Familie, die sich zu Beginn des Films auf die Reise aus dem recht weit entfernten London machen...

Hektik, Chaos, Nerverei: Es wirkt wie der ganz gewöhnliche Last-Minute-Trubel einer Großfamilie auf dem Weg in den Urlaub, wenn Doug und Abi Taschen, Spielzeug und ihre drei Kinder in den Kleinwagen stopfen, um sich auf den Weg zu machen. Nun gut, die Eltern zicken sich ganz schön an, und die Kids haben durchaus verschrobene Eigenarten: Die kleine Jess nimmt ihren Stein „Norman“ mit, Mickey hat nur die Wikinger und ihre Götter im Kopf, und Lottie, die Älteste, schreibt jeden Satz, den Vater oder Mutter von sich geben, unverzüglich in ihr Tagebuch. Man kann schließlich nie wissen, ob sie nicht demnächst das Gegenteil behaupten. Aber ist das nicht alles in allem ganz... normal?

Das kommt natürlich auf den Standpunkt an. Eine intakte Familie, das kristallisiert sich während der Fahrt in die Highlands mehr und mehr heraus, sind die McLeods jedenfalls nicht. Doug und Abi leben schon seit einer Weile getrennt und vollführen, um der Familie Willen, einen ganz schönen Spagat. Um den anderen die Feier nicht zu verderben (und um unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen), wollen die beiden noch einmal so tun, als sei alles in bester Ordnung. Und sie vertrauen darauf, dass Lottie, Mickey und Jess gute Miene zum bösen Spiel machen...

Die Comedy-Spezialisten Andy Hamilton und Guy Jenkin sorgten zuletzt mit ihrer Improvisations-Sitcom Outnumbered für Furore, in der sie das Leben einer Londoner Chaosfamilie porträtierten. Der besondere Clou dabei: Sie verbinden geniale Drehbucharbeit mit einem offenen Stil, der insbesondere den Kinderdarstellern Raum zur individuellen Entfaltung lässt. So entsteht ein frecher, bissiger, leicht schräger, irgendwie typisch britischer Erzählton, der ebenso geistreich wie wahrhaftig und vor allem umwerfend komisch ist.

Diese Methode hat das Regie- und Autorenduo nun auf die große Leinwand übertragen und dabei ganze Arbeit geleistet - von den lockeren Dialogen, die punktgenau sitzen, über die Entwicklung der Story, die jede Menge unerwartete Wendungen bereit hält, bis hin zu den umwerfend real-komischen Schauspielern, die dem Film den letzten Schliff geben.

In der wild-romantischen Szenerie der schottischen Highlands, schön und groß bebildert von Martin Hawkins (Extras, Life's too short, Outnumbered), wo Gordie bei seinem Sohn Gavin und dessen Frau Margaret lebt, wird schnell deutlich, warum Doug und Abi die Lüge der Wahrheit vorziehen. Diese Großfamilie ist, gelinde gesagt, ziemlich kompliziert, eine Ansammlung neurotischer Charaktere. Der kauzige Gordie, einst schottischer Fußballnationalspieler ist da noch der normalste und allemal die Art Großvater, die sich jeder Enkel wünscht.

In Windeseile schaffen Andy Hamilton und Guy Jenkin einen witzig-verschrobenen Familienkosmos, in dem die Fetzen nur so fliegen und sich nach und nach ungeahnte Abgründe auftun. Es sind vor allem die Erwachsenen, die sich hier kindisch benehmen, während die Kinder bei einem Ausflug an den Strand zu wahrer Größe und Reife finden. Gordie ermutigt sie zu Offenheit und Ehrlichkeit und lehrt sie, alberne Regeln genussvoll zu brechen. Doch als plötzlich das Schicksal zuschlägt, wissen die drei genau, was zu tun ist. Und in diesem Moment schlägt der Film noch einmal neue Töne an und wird zu einer bewegenden, lebensbejahenden Familiengeschichte, zu einer Komödie mit Tiefgang.

Improvisation wird bei den Regisseuren und Drehbuchautoren groß geschrieben. Dennoch weiß David Tennant zu berichten: »Wenn wir die improvisierten Szenen rausschneiden würden, hätten wir immer noch einen sehr komischen, gut strukturierten und geschriebenen Film. Die improvisierten Szenen geben dem Geschehen außerdem Wahrhaftigkeit und spontanen Humor. Die Kinder verhalten sich oft wie ganz normale Kinder, das macht es so komisch, erfrischend und wunderbar.«

Das Geheimnis der Regisseure in der Zusammenarbeit mit den Kindern besteht darin, ihnen die Versagensangst zu nehmen, indem sie eine entspannte und natürliche Atmosphäre am Set schaffen. Es gibt nur wenige kurze Dialoge, die sie unbedingt liefern müssen, alles andere wird als Bonus betrachtet. Da die Kinder immer nur für relativ kurze Zeitspannen arbeiten durften, mussten Andy Hamilton und Guy Jenkin häufig für sie einspringen, um den anderen Darstellern als Double zu dienen. Die Regisseure befestigten dann Klebestreifen an Armen oder Brust, um die Augenhöhe der Kinder zu simulieren.

»Die Beiden holen wirklich das Meiste aus der Zeit mit den Kindern raus«, ergänzt Tennant. »Es ist eine Art Baukastenprinzip. Es gibt Improvisation, wir sind alle sehr frei, aber am Ende muss auch alles zusammenpassen. Andy und Guy haben ihren ganz eigenen Stil entwickelt, und vor allem geht es dabei darum, die Kinder Kinder sein zu lassen.«

Der Schlüssel zum Erfolg liegt für Hamilton vor allem darin, Anarchie immer nur in »kleinen Portionen« zuzulassen. Oft ließen die Regisseure die Kameras auch einfach weiterlaufen. »Es sind einige Einstellungen im Film gelandet, in denen die Kids sehr natürlich wirken. Die sind vor oder nach dem eigentlichen Take entstanden«, schmunzelt Guy Jenkin. »Die „kleinen Portionen“ machen nur einen geringen Prozentsatz des Films aus, aber sie haben großen Einfluss auf den Stil, denn das sind von Natur aus eher rohe, aus der Hand aufgenommene Einstellungen.« Der Film hat eine hohe Schnittfrequenz, »weil wir für die Kinder sehr viele kurze Einstellungen verwenden«, erklärt Jenkin. »Das wirkt sich natürlich auch auf den Rest des Films aus. Lange und elegante Kamerafahrten würden dazu nicht passen. Deshalb bestimmt unsere Methode auch den Stil des Films.«

An Originalschauplätzen südlich im Finnich Malise, in der Nähe des Lochs Lomond und des Trossachs National Parks sowie in der Gegend von Gairloch, unmittelbar vor der Insel Skye, gedreht, ist der Film ein perfekter Sommer-Ferien-Abenteuerfilm für alle (ab 6), auch wenn in dieser Hinsicht die Eltern in Sachen Morbidität Obacht geben sollten! Der Film macht einen wörtlichen Heidenspaß, auch wenn er optisch als Hybrid zwischen TV-Sitcoms und Cinemascope-Filmen angesiedelt ist. ■ mz

23. November 2014
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OT: What we did on our Holiday
Komödie
GB 2014
96 min


mit

Rosamund Pike (Abi) Ranja Bonalana
David Tennant (Doug) Rainer Fritzsche
Emilia Jones (Lottie) Zalina Sanchez
Bobby Smalldridge (Mickey) Lenny-Joe Marciniak
Harriet Turnbull (Jess) Paula Ohlhauser
Billy Connolly (Gordie McLeod) Kaspar Eichel
Ben Miller (Gavin McLeod) Frank Röth
Celia Imrie (Agnes Chisolm) Monica Bielenstein
Annette Crosbie (Doreen) Katharina Lopinski
Lewis Davie (Kenneth) Vincent Borko
Amelia Bullmore (Margaret) Marina Krogull
u.a.

drehbuch
Andy Hamilton
Guy Jenkin

musik
Alex Heffes

kamera
Martin Hawkins

regie
Andy Hamilton
Guy Jenkin

produktion
BBC Films
Lipsync Productions
Origin Pictures

verleih
Tobis

Kinostart: 20. November 2014