Ruhet in Frieden - A Walk among the Tombstones
© Universum Film/Universal Pictures
In der Serie Life's too short präsentierte sich Liam Neeson in der Agentur von Ricky Gervais, um in den Komödienbereich zu wechseln. Das Vorsprechen verlief ein wenig mühselig, denn wie wir alle wissen, ist Neeson alles andere als lustig. Während wir darauf warten, dass er das Fach wechselt, was wohl nicht so schnell geschehen wird, sehen wir ihm am besten einfach weiter dabei zu, wie er Leute verprügelt.
Während wir noch ein wenig auf den dritten Teil der Taken-Reihe warten, können wir Liam Neeson derzeit in dem Thriller mit dem langen Namen Ruhet in Frieden - A Walk among the Tombstones im Kino bewundern. Dort spielt er Matthew Scudder, einen Ex-Cop, der seinen Lebensunterhalt nun als Privatdetektiv (ohne Lizenz) verdient, nachdem bei einer Schießerei in den Straßen von New York eine unbeteiligte Person von einem Querschläger getötet wurde.
Romanautor Lawrence Block schrieb sein Buch „A Walk among the Tombstones“ Anfang der 90er Jahre. Es ist der zehnte Roman in seiner Bestsellerserie, die sich mit den Fällen des mit Problemen belasteten Privatdetektivs Matt Scudder und dessen Suche nach Erlösung beschäftigt. Block hat mittlerweile 17 Romane und eine Kurzgeschichtensammlung mit dieser Figur veröffentlicht. Die Serie ist so erfolgreich, dass sie seit mehr als 40 Jahren existiert. Die Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.
Produzentin Stacy Sher: »Es gibt zwei Dinge, denen man in Lawrence Blocks Romanen immer wieder begegnet: Scudders innerer Kampf, und welchem Rätsel und welcher intensiven Situation er sich in jedem Buch stellen muss. Die Figur steht extrem unter Druck, und die Situationen, in die er gerät, sind angespannt.«
Und „angespannt“ kennt Liam Neeson. Also sehen wir ihm dabei zu, wie er durchs kühl-winterliche New York stromert, um eine Serie von Entführungen aufzuklären. Regisseur Scott Frank gesteht, dass ihm die Idee gefiel, diesen Film zu einer Kombination aus »Rätseln der alten Schule« und der Adaption eines Drehbuchs über einen ehemaligen Polizisten zu machen, der nicht nur damit kämpft, seit acht Jahren nüchtern zu bleiben, sondern auch mit den Dämonen seines letzten Einsatzes.
Frank beschreibt den Anfang der Geschichte so: »Matt Scudder ist ein unlizenziert arbeitender Privatdetektiv, der schwarz für Leute arbeitet, die weder zur Polizei noch irgendeiner legitimen Organisation gehen können. Scudder benennt das so, dass er den Leuten Gefallen tut. Als Gegenleistung dafür erhält er Geschenke.
Dann lernen wir einen Drogenhändler kennen, der in Brooklyn ansässig ist und versucht, ein ruhiges, verstecktes Leben zu führen. Seine Frau wird entführt und getötet, obwohl er das Lösegeld für sie bezahlt hat. Der Dealer engagiert Scudder, um die Mörder zu finden und zu ihm zu bringen, damit er sich an ihnen rächen kann.«
Für die Legionen von Lawrence-Block-Fans war es eine Verpflichtung, dass die Verfilmung gegenüber dem Buch originalgetreu sein würde. Die ausgedehnte Entwicklung des Drehbuchs und die einzigartigen Dinge, die Buch und Film ausmachen, erlaubten es dem Regisseur, mit ein paar Details von Blocks Buch herumzuspielen. So hat er zum Beispiel den zeitlichen Faktor etwas verändert und lässt die Geschichte im Jahr 1999 spielen, um so Scudders Technophobie etwas hervorzuheben.
Liam Neeson war von der Einsamkeit Scudders angetan. Er empfand, dass das Drehbuch die Trostlosigkeit skandinavischer Kriminalautoren reflektierte, deren Arbeiten er gerade las, als man ihm die Rolle anbot. »Hier geht es um eine vergleichbare Figur, die sich in einer sehr schmutzigen, kahlen und feuchten Gegend von New York bewegt, die wir nicht oft zu sehen bekommen«, sagt Neeson dazu.
»Ich finde einsame Figuren spannend, die selbst Dinge in die Hand nehmen. Sie umgibt etwas Rätselhaftes, etwas Männliches und Stoisches. Scudder ist so ein einsamer Mensch. Er ist in mehrerer Hinsicht ein gebrochener Mann, und dennoch gibt es moralische Gedanken in ihm und eine Würde, die er sich von seiner Zeit als Polizist beim NYPD bewahrt hat.«
Für Scott Frank war es wichtig, dass Neeson sich für diese Rolle streckt: »Wenn man die Kamera auf Liam richtet, dann passiert in diesem Augenblick so viel. Er zeigt dann gleich sein tiefes Innenleben. Scudder ist gar nicht so düster, sondern er besteht aus Bedauern, ist traurig und steckt voller Seele. Liam gab ihm dieses Gewicht, und so wurde aus Scudder nicht nur eine Actionfigur oder ein Superheld. Er hat in dieser Geschichte Angst und ist überwältigt. Daraus entwickelt sich ein sehr interessanter Charakter.«
Ein weiterer Schauspieler, dem es wichtig war das Düstere in seiner Figur zu entdecken, war Dan Stevens, der Kenny Kristo spielt. Er spielt einen Mann, der alles verliert, als er herausfindet, dass seine Frau brutal ermordet wurde. Kurioserweise entschied sich Lawrence Block nicht dazu, den Drogendealer zum Bösewicht der Geschichte zu machen, daher bekommt diese mehr Ebenen als erwartet.
»Dan war bemüht, die Erwartung der Zuschauer zu durchbrechen, die ihn als Herzensbrecher aus der Serie Downton Abbey kennen«, sagt Produzentin Stacy Sher. »Er ist ein begabter Schauspieler und war sofort dabei, sich auch physisch zu verändern.« Stevens schreibt die Aussage der Produzentin noch etwas fort, indem er eines seiner Gespräche mit dem Regisseur in Erinnerung ruft: »Ich weiß noch, dass wir uns darüber unterhalten haben, wie man sich darauf vorbereitet, in die dunklen Seiten eines Menschen vorzudringen.«
Aber Kenny ist nicht der Bösewicht des Films. Stattdessen funktioniert er als Vehikel, durch das Scudder ein Fünkchen Hoffnung schöpft und Klarheit innerhalb seiner eigenen moralischen Doppelbödigkeit und Düsterheit erlangt. »Es gibt schlimmere Kerle als Kenny da draußen, Männer, die Frauen entführen und töten, also verändert sich das moralische Denkmuster«, sagt Dan Stevens. »Kenny hilft uns, diese Verschiebung zu verstehen, was es bedeutet, wenn ein böser Junge böse Dinge tut.«
Die bedeutsamste Beziehung, die wir in diesem Film erleben, ist die zwischen Scudder und TJ, dem heimatlosen Teenager und Künstler, dem der ehemalige Polizist zu Anfang seiner Ermittlungen in der Bibliothek begegnet. Er lebt allein. Seine eigene Mutter hat ihn im Krankenhaus aufgrund einer hinderlichen Krankheit nach einem weiteren Anfall zurückgelassen. TJ musste schon sehr lange alleine auskommen. Sehr zum Verdruss von Scudder wird TJ jetzt von einem Recherchepartner zu einem wichtigen Vertrauten bei der Suche nach den Mördern.
Wie schon bei dem kürzlich gestarteten The Equalizer bestehen die Sympathiefiguren aus einem einzelgängerischen Helden und einem Teenager. Die Hautfarben ändern sich und aus dem Mädchen wird ein Junge, gespielt von Junior-Rapper Brian „Astro“ Bradley, der die Aufmerksamkeit des Publikums erstmals in der allerersten Sendung der Casting-Show The X Factor auf sich zog.
»Matt Scudder kommt in die Bibliothek, wo sich TJ bereits aufhält«, erzählt Astro über seine Rolle. »Er schläft dort, weil er kein Zuhause hat. TJ und Matt unterhalten sich. Er findet heraus, dass Scudder ein Privatdetektiv ist, was ihn beeindruckt, weil er auch so werden will. Also folgt er Matt während des ganzen Films und hilft ihm sogar den Fall zu lösen.«
Der junge Schauspieler gesteht, dass es ein bisschen wie ein Schock für ihn war, mit einem Kollegen von Liam Neesons Kaliber zu arbeiten. »Es war schon ein bisschen verrückt, als man mir sagte, dass ich die Rolle bekomme und mit Liam Neeson arbeiten werde«, lacht Astro. »Er ist der Lieblingsschauspieler meiner Mutter. Mit ihm zu arbeiten war toll. Er ist echt cool.«
Angesprochen auf seine Mitwirkenden sagt Regisseur Scott Frank, »dass speziell in Thrillern die Nebendarsteller überaus wichtig sind. Jedes Mal, wenn der Detektiv jemanden aufsucht, möchte man, dass er auf einen interessanten Menschen trifft, der lustig, schräg oder gefährlich ist. Wenn man sich auf ein neues Grundstück begibt, möchte man sich später daran erinnern. Dafür benötigt man wirklich gute Schauspieler und jeder von ihnen muss eine wahre Figur sein. Je besser der Schauspieler, desto mehr kann er erschaffen.«
Passend zur Jahreszeit, zum Jahr und zur Geschichte zeigt sich der Film in dunklen Farben - Braun, Dunkelblau, Taupe, Olivfarben, Grau, Ziegelrot und Dunkelrot – die Farben von getrocknetem Blut. Somit konnte die richtige Stimmung für den Film gefunden werden. Trotzdem der Film ein solides Kriminalstück ist und die Schauspieler ihr Bestes geben, fehlt ihm noch der Kick, den The Equalizer gefunden hatte.
Ruhet in Frieden - A Walk among the Tombstones ist keineswegs langweilig, doch irgendwie fehlt dem Film ein Licht am Ende der Geschichte. Trotz „Happy End“ bleibt er bis zum Schluss düster und kalt. Vielleicht liegt es auch an der literarischen Vorlage. Hoffentlich, sollte ein weiterer Scudder-Roman verfilmt werden, gibt es dann auch eine Frau im Film (die dann auch noch am Leben bleibt)... ■ mz