Godzilla
Viele haben den Film mit Skepsis erwartet. Nach der ersten Hollywood-Adaption des japanischen Kultklassikers, die Roland Emmerich 1998 fabrizierte, die jedoch bei den Hardcorefans durchgefallen war, kommt nun eine etwas andere Inszenierung des Riesenmonsters aus den Tiefen der Ozeane. Der britische Regisseur Gareth Edwards hatte bereits vor vier Jahren mit seinem Kinofilmdebüt Monsters erste Erfahrungen auf dem Gebiet sammeln können.
Edwards ist mit japanischen Monsterfilmen aufgewachsen und entdeckte dann auch Hondas Meisterwerk von 1954 auf DVD. Ihn faszinierte der verstörende allegorische Subtext, der uns auch heute noch angeht. »Rund um den Globus löst das Bild eines gigantischen Dinosauriers über der Silhouette einer Großstadt dieselbe Reaktion aus: Jeder weiß, was damit gemeint ist – ob er einen Godzilla-Film gesehen hat oder nicht.
Doch den meisten Menschen ist gar nicht klar, dass der japanische Originalfilm sehr ernst gemeint war. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass die japanische Kultur ihn derart vereinnahmt hat, denn es handelt sich nicht nur um einen tollen Monsterfilm, vielmehr fühlten sich die Menschen regelrecht erlöst von den Bildern, die diese Story so intuitiv und realistisch zum Leben erweckten.«
1954 startete die japanische Produktions-/Verleihfirma Toho Co., Ltd. Ishiro Hondas Monsterfilm-Meilenstein Godzilla in einem Land, das immer noch unter den verheerenden Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zu leiden hatte. Der Film war in Japan ein gewaltiger Erfolg, und seine Echowirkung ist auch 60 Jahre später noch messbar, weil es ihm gelungen ist, die mit dem Atomzeitalter verbundenen Ängste und Gräuel in einer imposanten Naturgewalt zu konzentrieren: Godzilla.
Vor 15 Jahren, als Ford Brody mit seinen Eltern in Japan lebte, ist die Familie zerbrochen – durch ein Ereignis, das Ford immer noch zu schaffen macht. Doch was zu jenem schicksalhaften Tag im Jahre 1999 führte, begann weiter südlich, auf den Philippinen, wo der Film einsetzt.
Ein entlegener Bergwerkstollen im philippinischen Dschungel bricht ein. Dadurch kommen stark radioaktive, versteinerte Überreste von etwas sehr Großem und sehr Altem zutage. Zwei Wissenschaftler einer geheimen Regierungsorganisation, Dr. Ishiro Serizawa und Dr. Vivienne Graham, treffen vor Ort ein und untersuchen das bizarre Relikt.
Im Film wird Godzillas Ursprung mit einer alternativen Sichtweise der jüngsten Geschichte in Verbindung gebracht – einem düsteren Vorfall, der Serizawa immer wieder beschäftigt. Der Name des Wissenschaftlers und auch Serizawa selbst bezieht sich auf eine Schlüsselfigur im japanischen Originalfilm.
Ken Watanabe spielt den japanischen Wissenschaftler Serizawa, der sein Leben der Suche nach Godzilla gewidmet hat und in der Höhle Beweise für die Existenz des mythischen Monsters zu finden hofft. »Ihm geht es um mehr als um wissenschaftliche Neugier«, sagt Watanabe. »Er macht sich Sorgen wegen des Grauens, das in die Welt gelangen könnte, und er entwickelt eigene Theorien zum sogenannten „Alpha Predator“ und dessen Rolle auf unserem Planeten.«
Watanabe stellte sich auf Edwards’ Wunsch ein, die Themen des Originalfilms aufzunehmen und sie in unsere heutige Welt zu übertragen. »Ich glaube, dass Japan und eigentlich die gesamte Welt ähnliche Probleme haben wie zu der Zeit, als der erste Film entstand«, sagt Watanabe.
»Godzilla lässt sich von den atomaren Aspekten nicht lösen und dient als dringende Warnung dafür, dass wir in die Zukunft schauen und uns Gedanken darüber machen müssen, wie die Welt einst aussehen soll. Beim Lesen des Drehbuchs war ich daher beeindruckt davon, dass Gareths Film Godzillas Verbindung mit den Konsequenzen beibehält, die sich aus der Beherrschung jener Energien ergeben, die wir nur ansatzweise verstehen.«
Sally Hawkins spielt Serizawas Kollegin Dr. Graham. Da sie stets gemeinsam vor der Kamera auftraten, verstanden sich Hawkins und Watanabe auf Anhieb. »Graham und Serizawa arbeiten an diesem Projekt, weil beide ihm ihr Leben gewidmet haben«, berichtet Hawkins. »Als das Publikum sie kennenlernt, merkt man, dass sie fast telepathisch miteinander kommunizieren. Ich halte Ken für ein Genie. Er hat ungeheure Präsenz, und es hat mir viel Freude gemacht, mit ihm zusammen die Beziehung der beiden Wissenschaftler herauszuarbeiten.«
Als sich Graham und Serizawa tiefer in den Berg vorwagen, merken sie, dass das Höhlensystem früher den Kadaver eines gigantischen Wesens beherbergt hat – und noch mehr. Am Ausgang des Systems müssen sie schockiert feststellen, dass der Berg von innen aufgeplatzt ist. Von hier führt ein Pfad der Vernichtung durch den Wald direkt zum Meer.
Im Norden, jenseits des östlichen chinesischen Meeres, wird das Atomkraftwerk Janjira in der Nähe von Tokio von etlichen Erdstößen erschüttert. Dort lebt Ford, als Kind gespielt von CJ Adams, mit seinen Eltern Sandra und Joe Brody. 1999 arbeiten sie beide als Wissenschaftler im Kraftwerk, und am Morgen nach dem Erdbeben ist der Vater der Erste, der den Alarm auslöst.
»Joe ist ein sehr fähiger Atomingenieur«, sagt Bryan Cranston. »Er hat in diesen Erdstößen anormale Klangmuster entdeckt, die von den Kollegen auf das Erdbeben zurückgeführt werden, doch seine Daten sagen etwas anderes aus. Er merkt, dass mehr dahinter steckt, und fordert, dass das Atomkraftwerk abgeschaltet wird, doch niemand hört auf ihn. Und als er schließlich Gehör findet, ist es zu spät. Er ist ein Whistleblower im positiven Sinn, gilt jetzt aber als Querulant, und dieses Image verfolgt ihn bis in die Gegenwart.«
Obwohl Cranston seine Neigung zu Godzilla-Filmen bestätigt, hat er sich nie vorstellen können, selbst in einem aufzutreten. »Gareth hat mir erklärt, dass dieser Film anders ist«, berichtet der Schauspieler. »Die Figuren sind intensiv ausgearbeitet, was auch die fantastischen Elemente der Story bereichert, denn wenn wir die Figuren durch das Abenteuer begleiten, erleben wir ihre guten und schlechten Entscheidungen, Beziehungen zerbrechen, andere formieren sich. Alle Elemente einer guten dramatischen Geschichte sind vorgegeben und werden in einen großen, epischen Monsterfilm verpackt.«
Juliette Binoche, die übrigens in der nächsten Woche in Words & Pictures an der Seite von Clive Owen in einer ganz anderen Rolle zu sehen ist, bestätigt das: »Monster haben ein erhebliches kathartisches Potenzial. Mithilfe solcher Geschichten verstehen wir uns selbst besser, erleben unsere Gefühle wie unter einer Lupe, und als Erzähler begreift Gareth das instinktiv. Er ist sehr begabt, und ich habe sehr gern mit ihm an diesem Film gearbeitet.«
Die von Binoche gespielte Sandra Brody ist, wie ihr Mann Joe, eine engagierte Wissenschaftlerin, doch am Morgen des Unfalls reagiert sie instinktiv als Mutter – alles andere ist Nebensache. »Als sich die Situation im Werk zur Krise ausweitet, muss sie eine Entscheidung treffen«, berichtet Binoche. »In einer solchen Lage kommt oft die Wahrheit ans Licht, und in diesem Fall handelt sie aus Liebe zu ihrem Sohn und ihrem Mann.«
Diese Entscheidung kostet sie ihr Leben, was ihr Mann nur schweren Herzens verkraften kann und sich dadurch mehr ins Zeug schmeißt, um herauszufinden, was das Erdbeben verursacht hat. Diese Abschiedsszene kennen Genrefans nur zu gut aus den Star-Trek-Filmen, in denen Kirk und Spock einen ähnlichen Moment durchleben mussten.
Aaron Taylor-Johnson, vielen bekannt aus den Kick-Ass-Filmen, übernimmt die zentrale Rolle des Marineoffiziers Ford Brody, der sich auf die Entschärfung von Bomben spezialisiert hat. Gerade ist er mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn in San Francisco wiedervereint, als er von seinem Vater zu Hilfe gerufen wird, der in Japan in Schwierigkeiten steckt.
»Ford ist der Held unseres Films und hat alle Hände voll zu tun«, kommentiert der Regisseur. »Ein Großteil unseres Films entwickelt sich ohne viele Worte, um so wichtiger ist es, dass wir verstehen, was Ford denkt und fühlt. Wir brauchten also einen Schauspieler, der mit einem einzigen Blick sehr viel ausdrücken kann. Ich schaute mir Nowhere Boy an, in dem Aaron John Lennon spielt, eine seelisch sehr starke Leistung. Was er mit den Augen ausdrückt, ist ungeheuer intensiv und gefühlvoll. In diesem Moment hatte ich meinen Hauptdarsteller gefunden.«
15 Jahre sind vergangen, als Ford zu seinem Vater nach Japan reist, und ihm ist sehr unwohl bei dem Gedanken an das Wiedersehen. Er merkt, dass Joe sich immer noch mit dem Unfall beschäftigt, der das Kraftwerk und auch seine Familie zerstört hat. Cranston kommentiert: »Sein ganzes Leben lang versucht Joe herauszufinden, was an jenem Tag passiert ist, doch das größte Opfer seiner Besessenheit ist die Beziehung zu seinem Sohn.«
Als sein Sohn eintrifft, um ihn nach Hause zu holen, hat es Joe fast geschafft, den Beweis zu erbringen, dass die mächtigen Kräfte, die 1999 zur Zerstörung des Janjira-Atomkraftwerks geführt haben, wieder aktiv sind und dass die Berichte von radioaktiven Lecks nur Lügen sind, die von der Regierung vorgeschoben werden, um die Wahrheit zu kaschieren.
Joe fleht Ford ein letztes Mal an, die Ruinen ihres Hauses aufzusuchen und dort die Beweise dafür zu sichern, dass es sich durchaus nicht um eine Naturkatastrophe gehandelt hat. Nachdem sie von den Sicherheitsleuten aufgespürt und gejagt worden sind, entdecken sie in der Quarantänezone eine noch viel fürchterlichere Wahrheit: Im Krater der Janjira-Ruine werden sie mit der enormen Dimension des Staatsgeheimnisses konfrontiert: Etwas hat sich von den Atomreaktoren ernährt und ist nach 15 Jahren endlich erwacht...
Das größte Problem und die größte Begeisterung der Filmemacher bei einem solchen komplexen Unternehmen lag im Konzept des Hauptevents. »Von Toho bekamen wir den Segen für unsere Neufassung der Figur, aber ebenso wie in unserem Team legte man dort Wert darauf, dass Godzilla wie Godzilla aussieht«, sagt Produzent Thomas Tull. »Wir wollen ihn in einem aktuellen, realistischen Umfeld zeigen, uns aber auch nicht allzu weit von der klassischen Silhouette entfernen, mit der so viele Fans unserer Generation aufgewachsen sind. Dabei haben Gareth und das gesamte Team mit Leidenschaft und Ideen eine gute Balance eingehalten.«
Um Godzilla auf der Leinwand mit möglichst großer, realistischer Detailgenauigkeit zum Leben zu erwecken, mussten viele kreative Köpfe eng zusammenarbeiten. »Alle haben ihren Beitrag geleistet«, erinnert sich der Regisseur. »Wir versuchten uns vorzustellen, wie Godzilla wohl aussehen würde, wenn wir ihn in der realen Welt erleben würden. In unseren vielen Gesprächen tauchte immer wieder die Frage auf: „Wenn er ein Mensch wäre, wem würde er ähneln?“
Wir dachten eine Weile darüber nach und entwickelten dann die Idee, dass er der letzte Samurai ist, ein einsamer uralter Krieger, der am liebsten nichts mehr mit der Welt zu tun haben würde, doch die Umstände zwingen ihn, wieder aufzutauchen. Es gab eine Menge Illustrationen und Konzepte – letztlich dauerte es über ein Jahr, bis alles stimmte.«
Mit seiner Größe von 108 Metern überragt Godzilla alle bisherigen Darstellungen. Von Anfang an sollte er komplett digital umgesetzt werden, wobei die klassische Gestalt und Identität beibehalten werden. Der radioaktive Leviathan bewegt sich auf zwei Beinen, ist aber auch ein Amphibienwesen mit gepanzerten Rückenflossen, die bedrohlich sogar aus seinem langen, peitschenden Schwanz hervorragen. Godzilla gehört zu der fiktiven Spezies Godzillasaurus, die die Paläontologen ironisch mit den Familien des Tyrannosaurus Rex oder des Ceratosaurus vergleichen, aber er ist ungleich größer.
Um Godzilla essenziell gerecht zu werden, schauten die Filmemacher zurück ins Jahr 1954 und auf den berühmten Latexanzug, den Teizo Toshimitsu für Toho entwarf. Hergestellt wurde er von Toshimitsu zusammen mit Kaimai Eizo, Kanju Yagi und Yasue Yagi. Der in ihm steckende Schauspieler Haruo Nakajima wusste sich sehr effektiv zu bewegen, und vor Ishiro Hondas Kamera verwandelte sich das Kostüm in eine Fleisch gewordene Atomkatastrophe, die einen erkennbaren Atompilz auf das zerstörte Tokio spie. Obwohl diese frühen Spezialeffekte damals sehr innovativ waren, hatten die Filmemacher 60 Jahre später Tools zur Verfügung, mit dem sie Godzilla wirklich zum Leben erwecken konnten.
»Es war unglaublich spannend, sich von diesen frühen Filmen inspirieren zu lassen, doch von Anfang an gab Gareth vor, dass unser Film in jeder Hinsicht absolut echt wirken muss«, berichtet der für die visuellen Effekte verantwortliche Jim Rygiel. »Denn wir wollen glauben, dass eine 108 Meter große Bestie durch die Straßen von San Francisco brettert.«
In der frühen Produktionsphase führte Rygiel den Filmemachern die ersten fertiggestellten Tests der Monsterbewegungen vor. »Man hörte förmlich, wie alle im Raum den Atem anhielten«, erinnert sich Tull. »Gareth und die Spezialisten der visuellen Effekte haben Erstaunliches geleistet und statteten die Figur mit einer Detailfreude und mit derart natürlichen Bewegungen aus, wie sie noch vor fünf Jahren nicht möglich gewesen wären. Wir kamen uns fast so vor, als ob wir Godzilla erstmals leibhaftig vor uns sahen.«
Doch unter seinem Panzer steckte in Godzilla immer schon eine unverwechselbare Persönlichkeit und Ausstrahlung. »Das Verblüffende ist ja, dass er die Zuschauer gleichzeitig gruselt und anzieht – sonst hätte die Figur nie so lange überlebt«, sagt Produzentin Mary Parent. »Godzilla ist echt krass, aber er bewahrt sich auch eine gewisse Unschuld und Integrität. Auf der instinktiven Ebene weiß man nie, was er als nächstes anstellt. Gleichzeitig hat er durchaus das Zeug zum Helden, und gerade durch diesen interessanten Zwiespalt reißt er uns mit.«
Wie bei seinen menschlichen Filmkollegen kann man auch bei Godzilla die Seele in seinem Gesicht erkennen. Die Neufassung des Monsters entspricht sehr genau den Dimensionen des kurzen, steilen Schädels mit der breiten Schnauze und dem Maul eines Fleischfressers, aber die Filmemacher wollten ihn für die Kämpfe mit der gesamten mimischen Skala ausstatten und studierten zu diesem Zweck die Ausdrucksweise von Hunden und Bären, wobei aber auch die aristokratische Anmutung eines Adlers zum Tragen kam.
Um der Figur eine subtile Darstellung abzugewinnen, verließ sich Edwards auf einen fähigen Mitstreiter, der mit Rygiel an Der Herr der Ringe gearbeitet hatte: Der Performance-Capture-Pionier Andy Serkis hat mit seiner einzigartigen Kunst digitale Figuren wie Gollum, Caesar und King Kong gestaltet. Er war auch hier für die emotionale Bandbreite des Titelhelden verantwortlich.
Das letzte Element in Godzillas Alchemie ist nicht sein Aussehen, sondern seine Stimme. Akira Ifukube, der die eindringliche Filmmusik zu Godzillas erstem Leinwandauftritt komponierte, kam auf die Idee, seinen berühmten Schrei zu kreieren, indem er einen geharzten Lederhandschuh über die gelockerten Saiten eines Kontrabasses strich. Diese Aufnahmen wurden dann vom Ton- und Musikeffektedesigner Ichiro Minawa manipuliert, indem er die Schreie in verschiedenen Geschwindigkeiten abspielte und sie so Godzillas Äußerungen in der jeweiligen Szene individuell anpasste.
»Bei Godzillas Brüllen kann man nicht mogeln oder tricksen«, sagt Tull. »Es gibt nur einen echten Sound, den man fast unmöglich imitieren kann – egal wie sehr man sich bemüht.« Lange vor Drehbeginn engagierten die Filmemacher die Oscar®-preisgekrönten Sounddesigner Erik Aadahl und Ethan van der Ryn (Transformers), die verschiedene Techniken ausprobierten, um schließlich Godzillas herzzerreißendes, durch Mark und Bein gehendes Gebrüll nachzuahmen. Hinzu kam eine komplette Welt aus Geräuschen, die die Action mit einem intuitiven Sound unterstützen, der das Kino zum Beben bringt.
»Wenn man sich Godzilla als reales Wesen vorstellt, dann hören wir im Film von 1954 den Sound, den die Tonbandgeräte damals aufzeichnen konnten«, beschreibt Gareth Edwards die Situation. »Wir wollten jetzt dieses Livegeräusch mit der gesamten hochempfindlichen Technik und Naturtreue wiedergeben, die uns heute zur Verfügung steht.« Die Sounddesigner verwendeten eine ganze Bandbreite verschiedener Geräte und testeten sogar einen mit Pinienpech eingeriebenen Lederhandschuh auf einem Kontrabass, um das scheinbar Unmögliche zu erreichen.
»Dieses Brüllen ist wohl der berühmteste Soundeffekt der Filmgeschichte, und dem wollten wir unsere Reverenz erweisen, wobei wir gleichzeitig etwas Neues schaffen wollten«, sagt Aadahl. »Am Ende hatten wir Hunderte verschiedener Geräusche aufgenommen, die alle dieselbe Qualität und Klangfarbe aufweisen wie das Original. Und schließlich fanden wir zufällig eine Kombination, bei der es uns allen kalt den Rücken hinunterlief. Im Grunde ging es uns darum, Godzilla als eine mächtige und wilde Naturgewalt wirken zu lassen, bei der die Leute auch bei geschlossenen Augen sofort wissen: Das ist Godzilla!«
Das Originalgeräusch wurde in drei Teile aufgesplittet – ein metallisches Kreischen, dem ein erdbebenartiger Klagelaut folgt, der in einen bellenden Schlusseffekt mündet. Die Sounddesigner experimentierten mit den unterschiedlichsten Klängen, bis sie eine Mischung gefunden hatten, die die Struktur und die markerschütternde Dramatik von Godzillas Original-Schrei aufweist. Dazu Tull: »Das Resultat wird den Zuschauern die Haare zu Berge stehen lassen. Es ist genau das gewaltige, respekteinflößende Brüllen, das Godzilla immer verdient hat.«
Und nicht nur brüllen kann Godzilla so gut wie nie, auch sein atomares Feuer speit er wie früher, nur dass alles ein wenig echter wirkt als in den Produktionen von vor 60 Jahren. Was man aber (leider) auch übernommen hat: die Ernsthaftigkeit. Gags sind spärlich gesät, es sei denn man amüsiert sich über die eher platten Dialoge. Platt ist vielleicht ein wenig zu harsch ausgedrückt...uninspiriert trifft es schon eher.
Zwar hat man versucht, die Charaktere so tief wie möglich zu gestalten (jede Menge Vergangenheitsbewältigung), doch da die Titelfigur der menschlichen Sprache nicht mächtig ist, bleibt der Film in Sachen Dialoge eher oberflächlich und technisch. Es geht viel um militärische Feinheiten und handlungsspezifische Wortfetzen, denn die Aktion steht hier im Mittelpunkt.
Dafür gibt es jede Menge Tricktechnik und Filmmusik - letztere überraschenderweise vom Amélie-Komponisten Alexandre Desplat, der hier mal eine komplett andere Orchestration auffährt als bei seinen Kompositionen für die bisherigen Dramen und Komödien. »Ich habe noch nie an einem Monsterfilm gearbeitet, und weil ich dafür über 100 Musiker zur Verfügung habe (Hörner und Blechbläser doppelt besetzt), konnte ich meiner Fantasie eine neue Dimension eröffnen, und das war sehr spannend«, berichtet Desplat.
Bei all den technischen Raffinessen und Feinheiten der monströsen Action bleibt jedoch der Rest bei den menschlichen Nebendarstellern hängen. Diese können zwar das Beste aus ihren Figuren herausholen, doch irgendwie bleiben diese Figuren dem Zuschauer egal. Noch weniger interessieren eigentlich Hauptdarsteller und -figur Aaron Taylor-Johnson/Ford Brody, der zwar neben Godzilla der zweite Held der Geschichte ist, aber dennoch so uninteressant ist wie der ganze Film an sich.
Auch Frau Olsen samt Filmsohn sind lediglich statistisches Beiwerk, um auch nur ein bisschen private Spannung aufkommen zu lassen: Wird es Ford schaffen, zu seiner hoffentlich heilen Familie zurückzukehren...? Interessant ist jedoch der geografische Werdegang der MUTOs (Massive Unidentified Terrestrial Organism), die hier die bösen Monster spielen - alles schön farblich gekennzeichnet (MUTOs rot, Godzilla blau), damit auch der Letzte weiß, wer gut und böse ist. Zunächst wird Hawaii attackiert, wo man eigentlich einen Auftritt von Commander McGarrett von Five-0 erhofft.
Da muss Brody erstmal einen exil-japanischen Jungen retten (Adventure-Ride lässt grüßen). Doch der MUTO aus Japan ist auf der Suche nach seinem Weibchen, das aus dem Kontinentalinneren entgegenkommt. Beide treffen sich dann zum Showdown in San Francisco, zu dem dann schließlich auch unser Titelheld stößt. Wenn dann die Golden Gate Brücke attackiert wird, erinnert das ein wenig an die animierte Kleinkinderversion Monsters vs. Aliens - die übrigens viel unterhaltsamer war.
Dafür ist Godzilla eher ein ernstgemeinter Katastrofenfilm für...ja wen eigentlich? Im Prinzip für Kids, die auf unblutige Monsterfilme stehen - Hauptsache es geht ordentlich was kaputt, und natürlich für die Nostalgiker - die Fans der ersten Stunde - die Godzi-Fans. Denen wird der Film auch richtig gefallen. Wer mehr erwartet, der wird hier enttäuscht. Auch der Rhythmus ist ein wenig unausgeglichen. In der ersten Filmhälfte wird sich mehr auf den Familienkonflikt der Brodys konzentriert, während es in der zweiten Hälfte um die Bändigung der Monster geht, die sich übrigens an den Logik-löchrigen Handlungspunkten orientiert - Hauptsache es passt fürs Happy-End! ■ mz