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12 Years a Slave


Solomon Northup muss als Sklave Platt Baumwolle pflücken.
© Tobis Film
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Nach seinen gefeierten, vielfach prämierten Meisterwerken Shame und Hunger verfilmte der Künstler, Fotograf und Ausnahmeregisseur Steve McQueen, Träger des renommierten Turner-Preises, nun mit 12 Years a Slave die wahre und mitreißende Geschichte des Afro-Amerikaners Solomon Northup, der als freier Mann im US-Staat New York lebte und von skrupellosen Geschäftemachern gekidnappt, in die Südstaaten verschleppt und als Sklave verkauft wurde.

Saratoga/New York, 1841, vor Beginn des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861–1864). Der Afro-Amerikaner Solomon Northup lebt mit seiner Frau und zwei Kindern ein einfaches aber glückliches Leben als freier Mann. Als zwei Fremde den virtuosen Geigenspieler für einen gut bezahlten Auftritt engagieren und danach noch zu einem Restaurantbesuch einladen, schöpft Solomon keinerlei Verdacht.

Umso größer ist sein Entsetzen, als er sich am nächsten Morgen in Ketten gelegt auf einem Sklavenschiff Richtung Louisiana wiederfindet! Alle Proteste und Hinweise auf seine verbrieften Freiheitsrechte verhallen ungehört: Northup wird verkauft und muss unter schlimmsten Bedingungen Fronarbeit leisten.

Zwölf lange Jahre sucht er, der Willkür und dem Sadismus des Sklavenhalters Edwin Epps ausgesetzt, nach einem Weg, sich aus der Gefangenschaft zu befreien. Sein Ziel heißt überleben – nur so bleibt ihm die Hoffnung, seine geliebte Familie wieder zu sehen.


„Mehr als 30 Jahre genoss ich als freier Mann in einem freien Staat die Segnung des Freiseins, ehe ich gekidnappt und in die Sklaverei verkauft wurde. 12 Jahre lang war ich ein Sklave, bis ich im Januar 1853 endlich wieder aus meiner Knechtschaft befreit wurde. Dieses Schicksal, so sagte man mir, wäre gewiss von öffentlichem Interesse.“
Solomon Northup

»Ich machte mir Gedanken darüber, wie ich so eine Geschichte erzählen könnte«, erinnert sich Regisseur Steve McQueen. »Ich suchte nach dem richtigen Ansatzpunkt. Ich wollte einen Helden, der ursprünglich ein freier Mann war, jemand mit dem sich das Publikum leicht identifizieren konnte. Einen Familienmenschen, der gekidnappt und zum Sklaven wird.« Über diese Idee sprach McQueen mit seiner Frau Bianca, die schließlich auf Solomon Northups Memoiren stieß. Das Buch hatte damals in der amerikanischen Gesellschaft für große Aufregung gesorgt, war aber dann in Vergessenheit geraten.

»In dem Moment, in dem ich mit dem Lesen anfing, konnte ich nicht mehr aufhören«, gesteht McQueen. »Es war einfach eine unglaubliche Geschichte, ein Märchen wie aus der Welt der Gebrüder Grimm. Ein Mann verliert alles – seine Familie, seine Freiheit, seine Würde. Und am Ende findet er all das wieder.«

McQueen bemerkte, wie viele Leser zuvor, dass Solomon Northup ein ausgezeichneter Beobachter gewesen sein muss. Er besaß einen präzisen Blick für die Menschen und Lebensumstände jener Zeit. Er macht in seinem Buch das Grauen der Sklaverei nicht nur begreifbar, sondern auch sicht- und spürbar.

Seine Geschichte besitzt außerdem Bezüge zur Gegenwart. Es geht um physische und geistige Moral, um Überlebenswillen und Mut. Northup ist Zeitzeuge, einer der die Schrecken der Sklaverei am eigenen Leib erlebt hat, und gleichzeitig auch ein echter Literat. Er berichtet nicht nur darüber was ihm zugestoßen ist, sondern stellt dem Leser auch die Frage, was er an seiner Stelle getan hätte.

1853 erschien Solomon Northups „12 Years a Slave“, das sich schnell zu einem Bestseller jener Tage entwickelte. Das Buch, das Northup mit der Hilfe von Schriftsteller David Wilson verfasst hatte, sprach die Leser auf verschiedenen Ebenen an. Einerseits vermittelt es, was es hieß, einem „Master“ zu gehören, mag dieser nun grausam oder wohlwollend gewesen sein, andererseits zeigt es, welche moralischen, emotionalen und geistigen Auswirkungen die Sklaverei sowohl auf die Sklaven, als auch ihre Besitzer hatte. Vor allem aber zeugt es von der Unbeugsamkeit des menschlichen Willens.

Ein Jahr nachdem Northup seine Freiheit wiedererlangt hatte, wurde das Buch 1853, neun Jahre vor Beginn des Amerikanischen Bürgerkriegs, veröffentlicht. So wurde es zu einem wichtigen Bestandteil der nationalen Debatte über die Zukunft der Sklaverei, denn es widersprach den Aussagen vieler Plantagenbesitzer, die behaupteten, ihren Sklaven menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu gewähren. Northup selbst sagte über sein Buch, dass er es zu Papier gebracht hatte, „um die Institution Sklaverei zu porträtieren“, und zwar so wie er sie „am eigenen Leib“ erfahren hatte.

Chiwetel Ejiofor, der Mann mit dem Zungenbrechernamen, begann seine Karriere 1997 auf dem von Steven Spielberg gesteuerten Sklavenschiff Amistad, worin er neben Djimon Hounsou, Morgan Freeman, Anthony Hopkins und Matthew McConaughey spielte. Bereits vor seiner Tortur in 12 Years a Slave kehrte er auf die Plantagen zurück. In dem Film Savannah spielte er neben Jim Caviezel, Bradley Whitford, Sam Shepard und Jaimie Alexander einen befreiten Sklaven, der zusammen mit seinem weißen Freund das zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewohnte Leben auf der Plantage zurückließ und fortan als Wildjäger lebte.

In 12 Years a Slave spielen noch so andere Schauspieler mit, die mit ihren merkwürdigen Namen bekannt wurden - so wie Benedict Cumberbatch (Sherlock) oder Quvenzhané Wallis, die erst im vorigen Jahr den Oscar® ausgezeichnet wurde. In diesem Jahr ist sie zwar nicht nominiert (dafür war ihre Rolle hier auch zu klein und kurz), dafür ist der Film aber mit insgesamt 9 Nominierungen einer der Favoriten im diesjährigen Rennen um die Trophäe.

Drehbuchautor John Ridley und Steve McQueen stürzten sich gemeinsam in die Recherche. Sie beschäftigten sich ausgiebig mit dem Thema Sklaverei, beispielsweise als Vorboten der globalen Wirtschaft und mit den Mechanismen, die über die Jahre immer perfekter und perfider wurden. Sie verschafften sich einen Überblick über die Baumwollindustrie und erfuhren von den brutalen Strukturen. Sie untersuchten, wie der Wirtschaftszweig funktionierte, und wie sie sich mit Eli Whitneys Erfindung der Entkörnungsmaschine alles veränderte, weil sie die Massenproduktion von Baumwolle ermöglichte und die Sklaverei zum Dreh- und Angelpunkt der Ökonomie wurde.

Amerika wurde auf dem Rücken der Sklaven reich und mächtig. Der Bedarf an billigen, besser noch unbezahlten Arbeitskräften wuchs ständig. Den Plantagenbesitzern waren alle Mittel recht, um an Sklaven zu kommen. Rücksichtslos wurden Familien auseinandergerissen, man brauchte Arbeitskräfte, für den Profit wurde jegliche Moral vernachlässigt. Dies rief die Gegner der Sklaverei auf den Plan, die Abolitionisten. Das Land spaltete sich in zwei Lager: Die Südstaaten der USA befürworteten die Sklaverei, die Nordstaaten lehnten sie vehement ab.

»Es gab unzählige Dinge, die wir über die Sklaverei herausfanden«, erzählt Ridley. »Wenn man heute darüber spricht, geht man landläufig davon aus, dass Schwarze in den Baumwollfeldern unter besseren oder unter schlechteren Bedingungen schufteten. Fertig! Aber das ganze System war viel komplexer. Es zielte auf eine totale Entmenschlichung ab. Den Weißen gegenüber wurde behauptet, dass Schwarze dazu geboren waren, Sklaven zu sein. Sie wurden als minderwertige Rasse dargestellt, der von Geburt an überhaupt keine Rechte zustanden. Davon wollten Steve und ich erzählen – und gleichzeitig zeigen, welches Unrecht Solomon zugefügt wurde.«

Das knapp terminierte und in 35 Drehtagen realisierte Filmprojekt begann auf der Felicity Plantation in Vacherie, Louisiana. Nur wenige Meilen von dem Ort entfernt, wo Northup jahrelang als Sklave Fronarbeit leisten musste. Dort versammelte McQueen sein eingespieltes Team, zu dem unter anderem sein bewährter Kameramann Sean Bobbitt, der Produktionsdesigner Adam Stockhausen und die fünffach für einen Oscar® nominierte Kostümbildnerin Patricia Norris zählten.

Bobbitt saugt den Zuschauer mit Nahaufnahmen oder langen Einstellungen förmlich ins Geschehen hinein. McQueen dazu: »Der Film ist generell schnell geschnitten, aber wir bremsen das Tempo immer wieder durch lange Sequenzen, um die Gräuel der Sklaverei spürbar zu machen. Wir wollten zeigen, wie die Sklaven sich gefühlt haben, welches Leid sie erdulden mussten.«

Bobbitt und McQueen wussten, dass sie mit ihrem Film bekanntes Terrain betraten, denn das Publikum ist mit dem Thema durch Kino- und Fernsehfilme (wie zuletzt Django unchained) oder der Serie Roots vertraut. Aber der Unterschied zu Solomon Northups Geschichte liegt darin, dass all diese Vorgängerfilme Schicksale fiktiver Personen zeigten. »Hier haben wir es mit erlebter Geschichte zu tun. Der Mann von dem wir erzählen, hat all das, was der Film zeigt, am eigenen Leib erfahren. Er war Teil dieser Entmenschlichung«, sagt Bobbitt. »Wir wollten also weder Romantisierung noch Spekulation. Wir suchten nach den „wahren“ Bildern.«

Doch dass dieses 12-jährige Abenteuer mehr bewegt als alle anderen Geschichten, kann ich nicht behaupten. Auch wenn die Figuren erfunden waren, so wurde trotzdem recherchiert und einige der wahren Praktiken der Plantagenbesitzer und Sklavenhändler in deren Geschichten eingebaut. Steve McQueens Film ist sozusagen das Tüpfelchen auf dem i und zeigt, dass die erfundenen Geschichten gar nicht allzu weit von der Realität entfernt waren.

12 Years a Slave ist nicht unbedingt spannend, doch der Film zeigt explizit die Entmenschlichung der Schwarzen und die Skrupellosigkeit der Weißen, dass man schon fast die Jugendfreigabe ab 12 Jahren anzweifeln sollte. In Sachen Grausamkeit spielen Michael Fassbender (McQueen-erfahren), Sarah Paulson (American Horror Story) und Paul Dano (Prisoners) derart hervorragend, dass man sich schon fast genötigt fühlt, Abstand zu ihnen halten zu wollen. Chiwetel Ejiofor dagegen, mag es an der Rolle liegen, wirkt die meiste Zeit eher emotionslos oder aufgespielt, ganz im Gegensatz zu seinen Mitsklaven - besonders zu Lupita Nyong'o, die hier als gebeutelte Sklavin Patsey ihr Spielfilmdebüt gibt.

Die Musik von Hans Zimmer wirkt eher unterschwellig spärlich, oder wie McQuenn sagt: »Seine Musik parfümiert den Film.« Dadurch wirkt der Film auch nicht so sehr kassenträchtig nach Hollywood. An manchen Stellen im Film stellen sich jedoch dem Zuschauer Fragen, warum etwas so ist, oder warum sich manche Figuren sich so verhalten, dass man da eventuell noch etwas hätte erklären sollen, wenn man sich nicht so in der Geschichte der Sklaverei auskennt. So wirken einige Langeinstellungen entweder zu lang oder neigen schon fast zur unfreiwilligen Komik (mit der Betonung auf „fast“!). Doch im Großen und Ganzen ist 12 Years a Slave ein bemerkenswertes Stück im großen Geschichtspuzzle der Sklaverei und mit Sicherheit die Hälfte der Oscar®-Nominierungen wert. ■ mz

17. Januar 2014
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OT: 12 Years a Slave
Drama/Biografie
USA 2013
135 min


mit

Chiwetel Ejiofor (Solomon Northup) Torben Liebrecht
Benedict Cumberbatch (William Ford) Sascha Rotermund
Michael Fassbender (Edwin Epps) Norman Matt
Paul Dano (Tibeats) Timmo Niesner
Sarah Paulson (Mistress Epps) Claudia Lössl
Paul Giamatti (Theophilus Freeman) Lutz Schnell
Garret Dillahunt (Armsby) Olaf Reichmann
Brad Pitt (Bass) Tobias Meister
Adepero Oduye (Eliza) Sanam Afrashteh
Lupita Nyong'o (Patsey) Rubina Kuraoka
Alfre Woodard (Mistress Shaw)
Dwight Henry (Onkel Abram)
Kelsey Scott (Anne Northup)
Quvenzhané Wallis (Margaret Northup)
Cameron Zeigler (Alonzo Northup)
Scoot McNairy (Brown)
Taran Killam (Hamilton)

drehbuch
John Ridley
nach den Memoiren „Twelve Years a Slave“ von Solomon Northup

musik
Hans Zimmer

kamera
Sean Bobbitt

regie
Steve McQueen

produktion
Regency Enterprises
River Road Entertainment
Plan B
New Regency
Film4

verleih
Tobis Film

Kinostart: 16. Januar 2014