Donnerstag, 25. April 2024
2018
Juli
Juni
Mai
April
März
Februar
Januar


2017
Dezember
November
Oktober
September
August
Juli
Juni
Mai
April
März
Februar
Januar

Nichts zu verzollen - Interview mit Benoît Poelvoorde

View image | gettyimages.com
Benoît Poelvoorde | Teilen

Nichts zu verzollen | Trailer | Galerie | Filmseite
Interview mit Dany Boon | Hintergründe zum Film

In dem vielbeachteten Biopic ►Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft von ►Anne Fontaine war ►Benoît Poelvoorde in der Rolle des Étienne Balsan zu sehen, für die er 2010 eine César-Nominierung als Bester Nebendarsteller erhielt.

2010 wirkte er gleich in mehreren Produktionen mit. In L’autre Dumas sowie in der Komödie Mammuth spielte er an der Seite von Gérard Depardieu. In Olias Barcos schwarzer Komödie Kill me please gab Poelvoorde den selbstmordgefährdeten Schriftsteller M. Demanet und in Jean-Pierre AmérisDie anonymen Romantiker einen hypersensiblen Chocolatier, bevor er für ►Dany Boons neue Komödie ►Nichts zu verzollen in die Uniform eines belgischen Zollbeamten schlüpfte. Als Darsteller des Patrick in Mon pire cauchemar übernahm er 2011 zum dritten Mal eine Rolle in einem Film von Anne Fontaine, wo er an der Seite von Isabelle Huppert zu sehen ist.

Wie kamen Sie zu Nichts zu verzollen?

Isabelle de la Patellière, die damals meine und Danys Agentin war, hat mir als Erste von dem Projekt erzählt und gesagt, Dany würde diese Figur für mich schreiben. Davor hatten sich Danys und meine Wege erst einmal bei einer Veranstaltung von Filmschaffenden gekreuzt, bei der er Willkommen bei den Sch'tis präsentiert hatte. Und ich habe mir eine seiner Vorstellungen angeschaut. Erst nachdem ich ihn auf der Bühne gesehen hatte, haben wir uns richtig kennengelernt. Wir waren nach der Show zusammen was trinken, und da hat er mir bestätigt, dass er tatsächlich dabei war, eine Rolle für mich zu entwickeln. Wenig später hat er mir das Drehbuch geschickt.

Und was war Ihre erste Reaktion, als sie es gelesen haben?

Meine erste Reaktion? Warum bin ich nicht auf die Idee gekommen, eine Geschichte über Zollbeamte zu machen? Ich bin Belgier! Das Thema lag direkt vor meiner Nase, und ich konnte es nicht mal sehen. [lacht] Ich mochte das Drehbuch auf Anhieb, weil ich es echt lustig fand. Aber es war nicht so lustig wie der fertige Film, und auch nicht so lustig wie die Dreharbeiten – weil wir uns da von Anfang bis Ende schiefgelacht haben. Und wir spürten, wie sich dieser Ton auf den Film übertrug. Als ich das Drehbuch nach der Lektüre zuklappte, war ich mir jedenfalls einer Sache sicher: Dass es mir viel Spaß machen würde, in diesem Film mitzuspielen!

Ist Ihnen die Welt dieser Zollbeamten vertraut?

Nein. Bei mir ist das anders als bei Bouli Lanners, dessen Vater Zollbeamter war. Ich habe nicht mal mehr besondere Erinnerungen daran, wie es war, die Grenze zu überqueren. Aber es hat mir großen Spaß gemacht, eine Uniform zu tragen. Noch mehr als mich in einen Zöllner zu verwandeln, gefiel es mir, diese Law-and-Order-Rolle zu spielen! Wenn du die Uniform anhast, sind 80 Prozent der Figur gleich da.

Wie würden Sie die Figur charakterisieren, die Sie spielen?

Ruben Vandevoorde ist kein Kraftprotz. Er ist beängstigend, weil er ohne das leiseste Zögern auf alles und jeden das Feuer eröffnet. Und ich finde, in einer Komödie braucht es schon eine Menge Unverfrorenheit, dass Ruben bereits in der fünfzehnten Minute jemanden in den Rücken schießt. Ich hatte Angst, dass ich wegen dieser Szene die Sympathie des Publikums verlieren würde. Aber als ich den Film sah, wurde mir klar, dass sie vor allem zeigt, wie furchterregend dieser frankophobe, fremdenfeindliche Zöllner ist. Und darüber erklärt sich auch die Angst von Danys Figur, ihm gegenüber zuzugeben, dass er seine Schwester liebt!

Fiel es Ihnen leicht, in die Haut dieser Figur zu schlüpfen?

Ehrlich gesagt war das nicht sehr schwer. Es ist sogar die leichteste von allen Rollen. Wenn man einmal von einem Polizisten verhaftet worden ist, weiß man, wie man diese Art von Misstrauen spielen muss. [lacht]

Die Figur ermöglicht es darüber hinaus, das Thema Fremdenfeindlichkeit aus einer komischen Perspektive zu betrachten.

Ja, und noch dazu mit wirklich mutigen Einfällen. Ich meine, am Ende des Films bin ich immer noch ein Rassist. Was nicht besonders politisch korrekt für eine Komödie ist. Das war wirklich mutig von Dany – er liefert keine wohlfeile moralische Lektion ab.

Was ist Dany Boon für ein Regisseur?

Er weiß sehr genau, was er will, und deshalb lässt er einem viel Freiheit. Er trägt einen und führt einen gleichzeitig in die richtige Richtung. Mit ihm macht man nicht besonders viele Takes, aber an jedem einzelnen arbeitet er gründlich mit den Schauspielern. Beim ersten Take mache ich immer unwillkürlich eigene Vorschläge. Danach versteht er es, einige davon auszuwählen und sie in das zu integrieren, worauf er hinauswill.

Wie alle guten Regisseure arbeitet er nach Gehör. Aber er ist auch und vor allem ein Genießer und er will seinen Spaß haben. Es bereitet ihm ein riesiges Vergnügen, andere zu beobachten. Das ist selten bei einem Regisseur. Da er Willkommen bei den Sch'tis gemacht hat, hätte er eigentlich auf alle herabschauen können. Aber er tut genau das Gegenteil – er sieht uns bei der Arbeit zu und lacht.

Und auf diese Weise gelingen ihm glänzende Sequenzen, die auf dem Papier nicht unbedingt schon so aussahen. Diese Szene, in der Bruno Lochet mit Drogen im Hintern verhaftet wird, zum Beispiel. Ohne Danys Auge und sein Gespür für Rhythmus hätte diese Szene vulgär oder pathetisch werden können. Aber bei ihm hebt sie ab!

Bei einer Komödie ist es von zentraler Bedeutung, dass man einen Regisseur hat, dem man vertraut, weil er einem sagt, ob man zu weit geht oder nicht weit genug. Und Dany ist ein Bühnenkünstler. Er hat den Rhythmus seines gesamten Films und jede Zeile im Kopf. Das ist wie bei einem Dirigenten und seinem Orchester. Alles, was man tun muss, ist also, sich tragen zu lassen und diese unglaublich gut geschriebenen Texte zu genießen, die er uns sprechen lässt. Bei Komödien habe ich sonst schon häufig genug den größten Mist erlebt...

Was gefiel Ihnen daran, mit Dany im Duo zu spielen?

Dass er so gerne lacht. Man hat das Gefühl, dass er seinen Text und das Vergnügen, das er beim Schreiben empfunden hat, wieder neu entdeckt, wenn er einem beim Spielen zusieht. Aber man braucht den Dialog nicht zu verändern, um dorthin zu gelangen. Kann sein, dass ich hier und da ein Wort eingeschoben habe, aber das war immer eine Dreingabe zu dem, was da stand, ich habe nie etwas ausgetauscht, weil es mir falsch oder schlecht erschienen wäre. Und Dany spielt genauso wahrhaftig, wie er schreibt. Das ist wie mit Automatik Auto zu fahren. Wenn man nicht mit Automatik umgehen kann, hat man wirklich ein Problem!

Auch mit Bouli Lanners bilden Sie auf der Leinwand ein Gespann. Er ist ein alter Bekannter von Ihnen.

Das ist das achte Mal, dass wir zusammengearbeitet haben. Er glaubt, dass er immer meinen Prügelknaben spielt. Aber wenn man sich den Film anschaut, sieht man, dass die Sache sehr viel subtiler ist. Er ist wirklich fantastisch, weil er sich jedes Mal neu erfindet. Aber wir haben beschlossen, dass das jetzt das letzte Mal war. Oder beim nächsten Mal ist er der Schurke und ich der Gute!

Und als Ihre Schwester können wir Julie Bernard entdecken...

Ist sie nicht wunderbar? Sie strahlt eine solche Ungezwungenheit aus! Dass sie in diesem Film mitspielt, zeugt ebenfalls von Danys großem Mut. Er ist hingegangen und hat diese junge Frau entdeckt, die vorher nie in einem Film mitgewirkt hatte. Dabei hätte er nach dem Erfolg von den „Scht’is“ jede haben können, die er wollte. Und sie ist ein Gewinn für den Film. Weil die Schauspielerin sofort hinter der Figur verschwindet. Das macht die Bewohner dieses Grenzortes und auch den Ort selbst sehr viel glaubwürdiger.

Welche Szene war am schwierigsten zu drehen?

Die, in der ich diese Tirade vom Stapel lassen muss, die anfängt mit: „Du schläfst im Dienst, Vanuxem. Ich seh mich gezwungen, das Willems zu melden.“ und dann mit einer kurzen Geschichte Belgiens weitergeht.

Und welches war die Szene, die Ihnen am meisten Spaß gemacht hat?

Die, in der mein Chef mich rügt, weil ich keine Franzosen mag, und in der ich antworte: „Ich? Aber ich bin der frankophilste Belgier überhaupt!“ Für jemanden wie mich, der Louis de Funès bewundert, war es wirklich toll, mit dieser grenzenlosen Arglist in der Stimme und in den Augen zu spielen. Das ist nämlich eine Szene, die genauso gut in einem seiner Filme hätte vorkommen können. All diese Momente des Misstrauens und der Feigheit bei diesem Ruben waren wirklich maßgeschneidert für mich!

Das ist das erste Mal seit langem, dass Sie sich einen Film angesehen haben, in dem Sie mitwirken. Warum?

Ich hatte keine andere Wahl, weil ich es Dany versprochen hatte. Es war sechs Jahre her, dass ich einen meiner Filme angeschaut hatte, weil mich das einfach irritiert. Aber diesmal sagte Dany während eines gemeinsam verbrachten Abends: »Mach bitte für meinen Film eine Ausnahme.« Und ich antwortete: »Gut, deinen Film sehe ich mir an!«

Als es dann so weit war, hatte ich allerdings wieder meine Zweifel. Ich hatte mir vorgestellt, mich vielleicht heimlich sofort wieder aus dem Kinosaal rauszuschleichen. Aber als ich einmal drinnen war, blieb ich auch. Allerdings war ich doppelt gestresst. Zum einen weil ich so lange keinen Film von mir gesehen hatte, und zum anderen wegen des Films selbst. Aber Dany hat erreicht, was er wollte: diese Balance zwischen Humor und Zärtlichkeit. Seine besondere Stärke, sein großes Talent als Geschichtenerzähler ist, dass er nur eine Einstellung braucht. Diese Eröffnungssequenz reicht aus, um die ganze Welt seines Films zu etablieren.

Man hört Philippe Rombis schöne Musik und diese kleinen Glöckchen, die das Weihnachtsthema markieren. Man sieht den Schnee auf den Fensterbänken schmelzen, die Farben, die Szenerie und hört Boulis erste Textzeile. Das ist, wie die ersten Seiten eines Comics von Uderzo und Hergé aufzuschlagen. Oder wie die ersten Sekunden eines Films von Jacques Demy zu sehen. Die Tonalität ist eingeführt.

Vielleicht weigern sich manche, ihm in diese Welt zu folgen. Aber wenn man einmal drin ist, bleibt man auch dort. Dany ist ein Zauberer. In seinen Filmen wirkt alles irgendwie schön – von den Zeitungen bis zum Wechselgeld... Er hat das neu erstehen lassen, was wir an Gérard Ourys Komödien so lieben – darin scheint die Sonne über Paris so, als hätte sie nie zuvor gescheint! ■ mz | Quelle: Prokino

Komödie
F 2011
107 min


mit
Benoît Poelvoorde (Ruben Vandevoorde) Frank Röth
Dany Boon (Mathias Ducatel) Olaf Reichmann
Julie Bernard (Louise Vandevoorde) Anna Carlsson
Karin Viard (Irène Janus) Kathrin Zimmermann
François Damiens (Jacques Janus) Dennis Schmidt-Voß
Bouli Lanners (Bruno Vanuxem) Michael Iwannek
Philippe Magnan (Mercier) Peter Reinhardt
Nadège Beausson-Diagne (Nadia Bakari) Karen Schulz-Vobach
Zinedine Soualem (Lucas Pozzi) Viktor Neumann
Éric Godon (Willems) Helmut Gauß
u.a.

drehbuch
Dany Boon
Yaël Boon

musik
Philippe Rombi

kamera
Pierre Aïm

regie
Dany Boon

produktion
Pathé
Les Productions du Ch'timi
TF1 Films Production
Scope Pictures
Canal+
CinéCinéma
CNC
Région Wallone
SCOPE Invest

verleih
Prokino

Ohne Cookies macht das Leben Internet keinen Sinn. Daher verarbeiten auch wir zumeist anonyme Daten und schenken Ihrem Browser ein paar Kekse. Welche Sorte wir hinterlegen, können Sie in unseren Datenschutzbestimmungen lesen. Sollten Sie damit einverstanden sein, klicken Sie bitte auf das Krümelmonster...